Können Sie beschreiben, was an dem Tag passiert ist?
Herr A.: Wir haben uns auf der Demo getroffen und sind den Demonstrationszug mitgelaufen. Es waren sehr viele Menschen da. Das Wetter war nicht einladend, es war sehr schlammig. Irgendwann waren wir dann am Platz, wo die Kundgebung sein sollte. Dann hat sich der Demonstrationszug Richtung Lützerath bewegt, nicht in Richtung der Abbruchkante.
Die Stimmung war ruhig an der Stelle, es standen viele Menschen auf einem Wall. Da sind wir hoch und haben kurz heruntergeschaut. Wir sind aber direkt wieder heruntergegangen. Auf einmal kamen die Polizisten nach oben und die Leute flogen vom Wall. Und dann kamen sie schlagartig vom Wall auf uns unten stehende Demonstranten zu.
Sie haben sich also nicht offensiv verhalten?
Herr A.: Nein, ich habe nur gerufen „Was soll das?“. Es war sehr unübersichtlich, und ich habe mich nach hinten orientiert, denn ich hatte Angst um meine Frau und vor allem um meinen Neffen. Ich hatte Angst, dass sie überrannt werden von den Polizisten. Und dann bin ich zu Boden geworfen worden. Ein Polizist war auf mir und schlug mir ins Gesicht. Und nur ins Gesicht. Er hat gezielt ins Gesicht geschlagen und immer auf dieselbe Stelle, immer wieder mit seiner rechten Faust in meine linke Gesichtshälfte. Als er von mir abließ, sagte er: “Hast du genug, Großer?” und dann wurde ich abgeführt.
Frau A.: Ich stand da vor dieser Polizeikette und habe gesehen, dass mein Mann das ganze Gesicht voller Blut hatte, als sie ihn dann hochgehoben haben.
Herr A.: Das hat sehr stark geblutet, vor allem aus der Nase …
Frau A.: … und aus dem Auge … in der Nähe waren Demo-Sanitäter. Sie standen an dieser Polizeikette und durften nicht zu ihm, weil die Polizisten meinten, sie hätten ihre eigenen Sanis. Und dann habe ich gesagt: „Ich bin Ärztin, lassen Sie mich zu meinem Mann“, das durfte ich nicht. Das war unterlassene Hilfeleistung.
"Als Ärztin durfte ich nicht zu meinem Mann, das war unterlassene Hilfeleistung"
Herr A.: Am Zaun von Lützerath haben die Polizisten mich dann durchsucht. Sie waren enttäuscht, weil ich direkt einen Ausweis gezeigt habe, als sie danach gefragt haben. Und auch als sie meinen Rucksack durchsucht haben, waren sie enttäuscht, dass da nichts drin war, außer einem Baguette, einer Wasserflasche und meinem Handy. Die haben mich dann abgeführt, weiter nach Lützerath rein. Es hat immer stärker geblutet und ich habe gemerkt, dass mein Gesicht immer stärker anschwillt. Ich fragte, wann ich medizinisch versorgt würde. Der eine Polizist meinte: „Ich hol dir ein Coolpack“. Kurz darauf kam er mit zwei Coolpacks zurück: eins für mein Gesicht und eins für die Faust seines Kollegen, der mich geschlagen hatte.
Ich habe wieder nach medizinischer Versorgung gefragt, da kam immer noch keiner. Niemand hat sich meine Wunden angeguckt. Die Wartezeit war lang, ich glaube insgesamt zwei Stunden. Ich durfte kurz mit meiner Frau am Telefon sprechen. Nach einiger Zeit kam ein Krankentransportwagen, aber ohne Rettungssanitäter. „Wir haben jetzt keine Ausrüstung dabei, aber wir können Sie ins Krankenhaus mitnehmen“, haben die gesagt. Da meinte der Polizist: „Wenn Sie jetzt ins Krankenhaus gehen, können wir Sie jetzt nicht vollständig entlassen“. Ich dachte: Ok, ich kann auf zwei Beinen stehen, und wollte dann lieber entlassen werden.
Nach einer Weile fuhren mich die Polizisten mit dem Gefangenentransport raus aus Lützerath. Aber wirklich an den Zaun von Lützerath, also im Sperrgebiet, an der Landstraße, wo mich keiner abholen konnte. Auf dieser Straße, im Dunkeln, im Regen, mit offener Wunde und gebrochener Nase, bin ich herausgelassen worden, im Nichts. Ich war wirklich verzweifelt, weil ich nicht wusste, wie ich laufen sollte, weil ja alles abgesperrt war. Mein Bruder wollte mich abholen, kam aber wegen der Absperrungen auch lange nicht weiter. Es hat über eine Stunde gedauert, bis wir uns wiedergefunden haben.