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Nachhaltiger AlltagEnergiewissenBlauer vs. grüner Wasserstoff: ein großer Unterschied fürs Klima

Blauer vs. grüner Wasserstoff: ein großer Unterschied fürs Klima

Wasserstoff ist gleich Wasserstoff – in der Herstellung gibt es aber deutliche Unterschiede, besonders mit Blick auf die Klimafreundlichkeit. Welcher Wasserstoff wird also wie gewonnen und hat welchen CO2-Ausstoß? 

Grauer, türkiser, grüner und blauer Wasserstoff: eine kleine Farbenlehre

Mit Blick darauf, wie klimafreundlich Wasserstoff ist, müssen wir uns den Herstellungsprozess ansehen. Hier gibt es zahlreiche Varianten, die sich teilweise deutlich, teilweise aber auch nur in Nuancen unterscheiden. Je nach Herstellung wird dem Wasserstoff eine Farbe zugeordnet: von grün über violett bis gelb. Wir beschränken uns hier auf grauen, türkisen, grünen und blauen Wasserstoff.

Grüner Wasserstoff

Grüner Wasserstoff entsteht durch Elektrolyse. Das ist ein chemischer Vorgang, bei dem Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten wird. Hierfür wird Strom benötigt. Wenn dieser aus erneuerbaren Energien stammt, gilt der entstandene Wasserstoff als grün.

Blauer Wasserstoff

Auch blauer Wasserstoff entsteht durch eine chemische Reaktion, die sogenannte Dampreformation. Der Ausgangsstoff für die Wasserstoffproduktion ist hier aber nicht Wasser, sondern Methan bzw. Erdgas. Dieses wird per Dampfreduzierung in Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid, also klimaschädliches CO₂, aufgespalten. Denn das Kohlenstoffdioxid kann nur unter erheblichem technischem Aufwand abgeschieden werden, und auch dann nur unvollständig. Die Abscheideraten liegen zwischen 72 und 96 Prozent. Um zu verhindern, dass dieses in die Atmosphäre gelangt, wird es unterirdisch gelagert. Die Carbon Capture and Storage-Technik (CCS) ist allerdings stark umstritten. Die Risiken sind kaum erforscht und können aktuell nicht bewertet werden. Zudem entweicht bei Gewinnung und Transport des benötigten Methans viel davon in die Atmosphäre. Und Methan ist ein echter Klimakiller: Auf 100 Jahre gesehen ist es 25-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid.  

Eine ausführliche Einschätzung zu blauem Wasserstoff bietet zum Beispiel die unabhängige Organisation Germanwatch.  

Grauer Wasserstoff

Die Erzeugung von grauem Wasserstoff geschieht ebenfalls per Dampfreformation. Der Unterschied zum blauen Wasserstoff liegt darin, dass das abgeschiedene CO₂ nicht per CCS unter der Erde gespeichert, sondern ausgestoßen wird: pro Kilogramm grauen Wasserstoffs sind es etwa 10 Kilogramm CO₂.

Türkiser Wasserstoff

Türkiser Wasserstoff wird ebenfalls fossil gewonnen. Dabei wird Methan jedoch nicht mithilfe der Dampfreformierung aufgespalten, sondern durch Methanpyrolyse bei Temperaturen jenseits der 1.000 °C. Da der Kohlenstoff nicht verbrennt bzw. oxidiert, fällt er als reiner Kohlenstoff an und kann weiter genutzt oder gespeichert werden. Dieser Prozess wurde großindustriell bislang jedoch nur in einzelnen Pilotanlagen getestet.

Blauer vs. grüner Wasserstoff: Vor- und Nachteile im Überblick

WasserstoffartVorteileNachteile
Grüner WasserstoffErneuerbar & nachhaltig
Überschüssiger Strom aus Erneuerbaren wird nutzbar gemacht. 
Elektrolyseure können das Stromnetz stabilisieren. 
Geringste Treibhausgas(THG)-Emission 
Aktuell noch teuer.
Befindet sich im Markthochlauf, noch keine großen verfügbaren Mengen.
Grauer WasserstoffAktuell geringste Kosten (dabei werden allerdings externe Kosten nicht berücksichtigt).
In großen Mengen verfügbar.
Höchste THG-Emissionen.
Benötigt fossile Rohstoffe, inkl. aller damit verbundenen Risiken.
Blauer WasserstoffGeringere THG-Emissionen als grauer Wasserstoff (hier allerdings ohne Betrachtung der Emissionen der Vorkette).Gefahr eines fossilen Lock-Ins
Benötigt fossile Rohstoffe, inkl. aller damit verbundenen Risiken
Sowohl Verfahren zur Abschneidung als auch Speicherung technisch noch nicht erprobt.
Benötigt knappe Ressourcen zur CO“-Speicherung.
Erheblicher Methanschlupf in der Vorkette.
Türkiser WasserstoffProzess resultiert ggf. in geringen THG-Emissionen.Gefahr eines fossilen Lock-Ins.
Benötigt fossile Rohstoffe, inkl. aller damit verbundenen Risiken.
Technisches Verfahren wird aktuell in einzelnen Pilotprojekten erprobt.
Erheblicher Methanschlupf in der Vorkette.
Eine junge Frau mit kurzen blonden Haaren steht an einem Weizenfeld und tankt ein Auto. Auf der Tankklappe steht "H2". Im Hintergrund sind Windräder zu sehen.

Einsatzmöglichkeiten: blauer und grüner Wasserstoff in der Praxis

Blauer und grüner Wasserstoff haben das Potenzial, ein entscheidender Baustein in der Energiewende zu werden – und das auf ganz unterschiedliche Arten.

Wasserstoff als chemischer Grundstoff 

Aus Wasserstoff lassen sich zum Beispiel synthetische Treibstoffe herstellen. Diese E-Fuels können dazu beitragen, die Emissionen im Fern- und Schiffsverkehr zu senken. 

Wasserstoff für Prozesse, die nicht elektrifiziert werden können

Batteriebetriebene Elektrofahrzeuge sind auf den Straßen bereits sehr präsent. Besonders für schwere Lastenfahrzeuge sind die Reichweiten aber oft zu gering. Als Alternative zur Batterie kann eine mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle mit großer Reichweite fungieren. In der Brennstoffzelle verbinden sich Sauerstoff und Wasserstoff und erzeugen Energie und Wasser. Fahrzeuge mit Brennstoffzelle können an speziellen Wasserstofftankstellen aufgefüllt werden – und das sehr schnell. Die flächendeckende Errichtung von Wasserstoff-Tankstellen befindet sich jedoch erst im Aufbau.

Wasserstoff als Stromspeicher zur Überbrückung von Dunkelflauten 

Wasserstoff ist ein effizienter Energieträger und kann Strom speichern. Das ist besonders sinnvoll, um erneuerbare Energien auch zu Zeiten ohne Wind und Sonne nutzbar zu machen. Das Prinzip: Wird mehr Strom erzeugt als benötigt, lässt dieser sich mittels Elektrolyse in Wasserstoff umwandeln und speichern. Wird dann wieder mehr Strom gebraucht, kann der Wasserstoff in einem umgekehrten Elektrolyse-Prozess in einer Brennstoffzelle mit Sauerstoff verbunden werden, wodurch sehr viel Energie entsteht. Diese Energie fließt zurück ins Stromnetz. Alternativ kann der gespeicherte Wasserstoff auch durch Hinzufügen von CO₂ in Methan und Wasser umgewandelt und statt Erdgas der Erdgasinfrastruktur zugeführt werden. 

Welcher Wasserstoff wird aktuell in welcher Branche genutzt?

Der aktuelle Bedarf an Wasserstoff in Deutschland beträgt laut nationaler Wasserstoffstrategie 2023 ca. 55 TWh, bzw. 1,4 Mio. t. Bis zum Jahr 2030 wird sich der Bedarf nach Schätzungen auf 95 bis 130 TWh mehr als verdoppeln.

Der überwiegende Anteil der Wasserstoffherstellung konzentriert sich auf grauen, fossil gewonnenen Wasserstoff, nur 5 Prozent sind grün. Blauer und türkiser Wasserstoff ist in Deutschland aktuell nicht in nennenswerten Mengen verfügbar. Der Wasserstoff wird vor allem in der chemischen Grundstoffindustrie (z.B. für die Produktion von Ammoniak oder Methanol) sowie zur Herstellung von Kraftstoff in Raffinieren nachgefragt.

Wie gut ist die Infrastruktur für Wasserstoff ausgebaut?

Die Infrastruktur für grünen Wasserstoff befindet sich aktuell noch im Aufbau. 2024 wurde der Antrag der Gasleitungsbetreiber (FNB) zum Bau des Wasserstoffkernnetzes genehmigt – und damit eine wichtige Hürde genommen. Die über 9.000 km Wasserstoffleitungen werden zu ca. 60 Prozent aus umgerüsteten Erdgasleitungen bestehen und sollen wichtige Erzeugungsregionen mit den zentralen Industrien verbinden. 

Dies ist auch für den Hochlauf der grünen Wasserstoffwirtschaft entscheidend. Denn Elektrolyseure produzieren grünen Wasserstoff dort, wo viel erneuerbarer (Überschuss-)Strom vorhanden ist, also vor allem an Standorten mit viel Windkraft. Große Industrien hingegen befinden sich eher in Gebieten, in denen eine Stromnachfrage auf ein zu geringes Angebot an erneuerbarem Strom trifft.

Blauer vs. grüner Wasserstoff: Welches ist der Energieträger der Zukunft?

Wie so oft gibt es für komplexe Herausforderungen wie die Energiewende nicht die eine Lösung. Grüner Wasserstoff ist allerdings ein entscheidender Baustein zur Erreichung der Klimaschutzziele. Einerseits kann er als Rohstoff dazu dienen, fossile Rohstoffe zu ersetzen, andererseits wird es auch in Zukunft Sektoren und Prozesse geben, die nicht mithilfe von erneuerbarem Strom dekarbonisiert werden können. Hierzu gehören Teile des Verkehrs wie Flug- oder Schiffsverkehr sowie wenige industrielle Prozesse. Schließlich kann Wasserstoff langfristig mithilfe von Brennstoffzellen oder Gasturbinen in steuerbaren Kraftwerken eingesetzt werden, um den Strom auch während Dunkelflauten klimaneutral bereitzustellen.

FAQ – Häufige Fragen zu blauem vs. grünem Wasserstoff

Wie trägt Wasserstoff zur Energiewende bei?

Die Energiewende wird nicht ohne erneuerbaren, also grünen Wasserstoff gelingen. Darum treibt Green Planet Energy den Wasserstoffhochlauf schon seit 2011 aktiv voran: durch den Betrieb von zwei eigenen Elektrolyseuren in Haßfurt und Haurup, durch politische Arbeit, durch wissenschaftliche Studien und mithilfe von Machbarkeitsstudien für Dritte. Dabei legen wir stets besonderen Wert auf eine flexible Fahrweise der Elektrolyseure. Das heißt: Sie produzieren möglichst dann Wasserstoff, wenn besonders viel erneuerbare Energie im Netz ist – und nicht möglichst viele Stunden irgendwann. Nur so können Elektrolyseure zusätzlich das Stromnetz entlasten und dabei helfen, dass wir fluktuierende Energien effizienter nutzen.

Sie planen selbst ein Wasserstoffprojekt? Wir unterstützen Sie bei der Planung und begleiten Sie vom Spatenstich bis zum Betriebsstart.

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Warum leistet grüner Wasserstoff einen so entscheidenden Beitrag für die Energiewende in Deutschland?

Grüner Wasserstoff kann fossile Brennstoffe ersetzen, insbesondere in Sektoren, die sich nur schwer dekarbonisieren lassen – etwa die Industrie oder der Verkehr. So trägt er dazu bei, dass weniger Treibhausgase unser Klima belasten. Zudem lassen sich mithilfe von Wasserstoffkraftwerken Stromengpässe, etwa während Dunkelflauten, überbrücken.

Kann grüner Wasserstoff preislich mit Erdgas mithalten?

Leider noch nicht. Nach der Energiekrise sind die Erdgaspreise seit 2023 wieder deutlich gesunken; grüner und blauer Wasserstoff sind dagegen noch relativ teuer.
Berücksichtigt man auch die externen Kosten, entsteht allerdings ein anderes Bild. Externe Kosten fallen zum Beispiel für die Folgen des Klimawandels an. Sie werden von der Gesellschaft getragen – und machen Erdgas drei- bis viermal so teuer wie Wasserstoff.
Auch, um diese externen Kosten zu verringern, gibt es viele Förderprogramme, die die Produktion von grünem Wasserstoff unterstützen. Hinzu kommen der steigende CO2-Preis und eine zunehmende Skalierung der Produktion von Elektrolyseuren.

Wie grün ist grüner Wasserstoff?

Wasserstoff gilt nur dann als grün, wenn er in Elektrolyseuren entsteht, die mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen betrieben wird – und zwar dann, wenn besonders viel von diesem Strom im Netz ist.

Wie viel Energie steckt in einer Tonne Wasserstoff? 

Die gewichtsspezifische Energiedichte von Wasserstoff ist sehr hoch. Mit 39,4 kWh/kg (Brennwert) übersteigt diese die Energiedichten von gängigen, fossilen Brennstoffen deutlich: Erdgas 13,9 kWh/kg, Diesel 12,5 kWh/kg und Benzin 12,0 kWh/kg. Allerdings ist die volumenspezifische Energiedichte deutlich geringer. 

Mats Bednarczyk
Mats Bednarczyk
Mats Bednarczyk ist seit 2021 bei Green Planet Energy. Zunächst war er knapp drei Jahre als Projektingenieur aktiv und arbeitet seit 2024 als Referent Energiesysteme. Dort stellt er eine Schnittstelle zwischen Politik und Technik dar. Seine Schwerpunktthemen sind Strommarktdesign, Ökostromqualität, Energiewirtschaft und Wasserstoff.