Urbane Energiewende: Mieterstrom wird einfacher
Die Bundesnetzagentur will die Verfahren für Mieterstrom vereinfachen, ein wichtiger Schritt zur urbanen Energiewende. ► Jetzt mehr erfahren!
Vor knapp zwei Jahren beschloss die Bundesregierung, die Versorgung von Mieterinnen und Mietern mit Solarstrom vom Dach des Wohnhauses per Gesetz zu fördern. Allerdings: Das damals auf den Weg gebrachte „Mieterstromgesetz“ wird nur mit engagierten Hauseigentümern ein Erfolg. Eine von ihnen ist Eva Christine Ihrlich, Besitzerin eines Mehrfamilien-Wohnhauses in Andernach bei Koblenz. 2018 ließ sie auf dem grundsanierten Gebäude eine Solaranlage errichten, seit dem Frühjahr 2019 versorgt sie – zusammen mit Greenpeace Energy als Projektpartner – die ersten Bewohner erfolgreich mit Mieterstrom. Wir sprachen mit ihr über Hürden und Erfolge ihres Projektes.
Eva Christine Ihrlich: Ich wollte das Haus von vornherein so gestalten, dass nur wenig Energie von außen bezogen werden muss und dass am liebsten gar keine fossilen Brennstoffe benötigt werden. Die Fußbodenheizung in den Wohnungen wird deshalb von einer Luft-Wärmepumpe neben dem Haus gespeist. Um möglichst autark zu sein, habe ich das Dach, soweit es ging, mit einer Photovoltaikanlage belegt. Es war mir von vornherein klar, dass der erzeugte Strom erst einmal im eigenen Haus verbraucht werden sollte, dass also erst einmal meine Mieter davon profitieren sollten, bevor der dann eventuell noch vorhandene Überschuss ins öffentliche Netz abgegeben wird. Erst während der Planungsphase hörte ich zum ersten Mal, dass der Gesetzgeber auch den hausinternen Verbrauch durch die Mieter fördert.
Eva Christine Ihrlich: Technisch war es für die Fachleute – nachdem die Absprachen, Genehmigungen und Verträge klar waren – kein Problem. Da alle Beteiligten „Neuland“ beackerten, lief das Projekt unter den gegebenen Umständen dann doch zügig. Der hauptsächliche Aufwand lag darin, die formellen Voraussetzungen des Gesetzes mit in der Praxis fünf verschiedenen Beteiligten – Greenpeace Energy, Netzbetreiber, Grundversorger, Elektrofachfirma, Bauherrin – zu koordinieren und umzusetzen. Wenn ich den von meiner Anlage erzeugten Strom an meine Mieter günstig verkaufen will, werde ich gleichzeitig durch das Gesetz verpflichtet, meinen Mietern auch die jederzeitige Versorgung mit Strom zu garantieren. Das konnte ich mit dieser Anlage natürlich nicht. Es ging also gar nicht so, wie ich mir das so einfach vorgestellt hatte. Daraufhin fing ich an, mich intensiver mit der Umsetzung zu beschäftigen und als langjährige Genossin war Greenpeace Energy mein erster Ansprechpartner.
Das Gebäude in Andernach. Foto: © Arthur Lik
Eva Christine Ihrlich: Ohne externen Dienstleister ist das derzeitige gesetzliche Mieterstrommodell für einen kleinen Vermieter wie mich mit zehn Wohnungen überhaupt nicht umsetzbar. Ich denke, es ist auch für einen richtig großen gewerblichen Vermieter oder eine große Wohnungsgenossenschaft ohne Dienstleister kaum umsetzbar, es sei denn, sie erweitern ihren Geschäftsbetrieb hin zum Energiedienstleister. Ich habe eine Anlage gebaut und langfristig verpachtet. Das ist mir erst mal angenehmer, als nur die Dachfläche zu verpachten. Für mich deckt die von Greenpeace Energy gezahlte Pacht knapp meine Abschreibungen auf die PV-Anlage, einen Gewinn habe ich, wie es im Moment aussieht, nicht. Mein Vorteil ist, dass ich mich in den nächsten Jahren erst einmal nicht mehr um die Anlage und die Abrechnungen kümmern muss.
Eva Christine Ihrlich: Komplizierter als gedacht war, den Strom an die Mieter zu verkaufen. Im Grunde verhindert das Mieterstromgesetz, dass ich den Strom direkt an die Mieter verkaufe. Entweder müsste ich alle Stromkosten in die Grundmiete einrechnen, praktisch eine „Miete inklusive aller Stromkosten“ verlangen – was meiner Meinung nach ökonomisch und ökologischer Unsinn ist – oder ich müsste mich als Mitbewerber von unseren großen Energieversorgern am Ort aufstellen. Leichter als gedacht war hingegen, dass mein Architekt und meine Elektrofirma das Konzept gut fanden und ich die technische und formale Umsetzung weitestgehend delegieren konnte – und dass die Zähler pünktlich zum 31.1.2019 installiert waren und tatsächlich Strom auf allen Leitungen war.
Eva Christine Ihrlich vor den Stromzählern des Gebäudes. Foto: © Arthur Lik
Eva Christine Ihrlich: Wenn jetzt zusätzlich Mietshäuser den eigenen Strom erzeugen, ist das Mieterstrom-Modell direkter Wettbewerb zu den lokalen Grundversorgern. Wie man da ansetzen könnte? Es ist kompliziert, da keine PV-Anlage die Versorgung jederzeit sicherstellen kann und die Abrechnung nicht einfach ist. Der Gesetzgeber sollte sich hier ein einfaches Abrechnungsmodell einfallen lassen. Und: Ich denke, dass der Preis noch etwas attraktiver gestaltet werden sollte. Ein Preis von 90 Prozent des Grundversorgers, wie es der Gesetzgeber fordert, ist immer noch ein stolzer Preis: die Grundversorgung ist eigentlich nicht wettbewerbsfähig! Ich kenne niemanden, der den Preis der Grundversorgung bezahlt. Selbst in meiner Altersgruppe über 60 weiß man mittlerweile, dass man sich regelmäßig um die Strompreise kümmern muss.
Eva Christine Ihrlich: Tja, das ist so eine Sache mit Empfehlungen. Noch habe ich ja nur Erfahrung mit den Anfängen – die Baukosten sind noch nicht vollständig abgerechnet und mein Fall ist vielleicht atypisch. Ich wollte anfangs nur eine PV-Anlage und meine Mieter direkt beliefern. Jetzt ist die Anlage verpachtet und ich kann nur hoffen, dass sie meinem Pächter guten Ertrag bringt. Ob die Investition sich rechnet? Da sollten wir in fünf oder zehn Jahren nochmal drüber sprechen.
Eva Christine Ihrlich: Erstaunlich gut. Ich habe ja erst zum 1. Februar mit der Vermietung angefangen. Zu dem Zeitpunkt wurden die ersten Verträge für das Mieterstrom-Modell fertig. Die Idee, dass der auf dem Dach erzeugte Strom direkt im Haus verbraucht wird, kennt der eine oder andere aus Erzählungen von Eigenheimbesitzern, und die mögliche „Selbstnutzung“ durch die Mieter wird positiv aufgenommen.
Frau Ihrlich, wir danken Ihnen für das Gespräch!