Selbst bezeichnet sich Ralph Ruthe als Witzbildmaler. Doch er ist weit mehr als das. Begonnen hat alles vor über 20 Jahren unter dem Slogan „Shit happens!“. Was sich seitdem entwickelt hat, hätte sich Ralph Ruthe wahrscheinlich selbst kaum träumen lassen. Mittlerweile folgen ihm rund vier Millionen Menschen in den sozialen Medien, er hat eine eigene Bühnenshow entwickelt und befindet sich in den Vorbereitungen für seinen ersten Kinofilm.
Seit vielen Jahren setzt sich Ruthe aktiv für den Klimaschutz und die Energiewende ein, nutzt dafür seine Reichweite und behandelt ihm wichtige Themen in seiner Kunst. Das Witzbild als Medium für wichtige Botschaften. Auf diese Weise entstand zusammen mit der Journalistin Sally Lisa Starken sein Video zur Klimakrise. Konsequenterweise beziehen Ralph und seine Familie Ökostrom von Green Planet Energy. Wir haben im Interview mit ihm über seine Motivation gesprochen und darüber, wie es ist, mit starken Meinungen in der Öffentlichkeit zu stehen.
Lieber Ralph, Du nutzt Deine Arbeit, um für Dich wichtige Themen zu platzieren, zum Beispiel den Klimaschutz. Was treibt Dich an?
Egal, wie übertrieben das für manche klingen mag: Einfach der Wunsch zu überleben. Die verheerenden Auswirkungen, die vermeintlich wenige Grad Erderwärmung auf das komplexe Zusammenspiel von Klima, Biodiversität und somit auf die Existenz von uns Menschen als Spezies auf diesem Planeten haben, kann man nicht oft genug in den Vordergrund stellen, wenn man Reichweite im Internet hat. Ich sehe das, neben der Unterhaltung meines Publikums, somit als selbst auferlegte Pflicht.
Gibt es ein Erlebnis, das Dich wachgerüttelt hat?
Das Thema „Klimawandel“ (früher) oder „Klimakrise“ (heute) beschäftigt mich seit fast 20 Jahren. Am Anfang habe ich es in meinen Witzbildern ehrlich gesagt fast nur als einen bitteren Witz über etwas benutzt, was vielleicht in 100 Jahren mal ein Problem werden wird. Spätestens dadurch, dass ich 2016 Vater von zwei Töchtern wurde und durch die Wahrnehmung von Greta Thunberg und Fridays for Future in den Medien habe ich mich dazu entschieden, noch stärker darauf aufmerksam zu machen. Nicht nur mit sarkastischen Gags, sondern auch, um zu informieren.
Wie sind die Reaktionen auf Deine Klimaschutz-Cartoons? Unterscheiden diese sich grundsätzlich von denen auf andere Bilder?
Ich positioniere mich mit meinen Cartoons schon sehr lange klar in diesem Bereich, aber auch zur Flüchtlings-Thematik und zu Vegetarismus. Damit habe ich mir über die Jahre ein Publikum aufgebaut, dass zu 90 Prozent sehr ähnlich tickt wie ich. Somit kommen diese Witzbilder ähnlich gut an wie die „regulären“ Cartoons.
Unter Deinen Arbeiten finden sich aber auch böse Kommentare. Wie verarbeitest Du die?
Es sind gar nicht so viele. Erfahrungsgemäß wirken die nur lauter und aggressiver. Wir Menschen neigen dazu, länger über eine negative Bemerkung nachzudenken als über 20 Komplimente. So ist es hier auch: Wenn ein Cartoon auf Social Media gut ankommt, viel geliked und kommentiert wird, schwappt der Algorithmus ihn in viele zusätzliche Timelines. Dadurch sehen und kommentieren ihn auch Leute, die nicht zu meiner Bubble gehören. Die schreiben dann auch weniger nette Sachen. Je nach Ton und Inhalt antworte ich darauf sachlich oder – bei Beleidigungen oder Links zu Fake-Informationen -, indem ich blocke.
Wie politisch sollte ein Künstler sein?
Dafür gibt es keine allgemeingültige Regel. Nicht alle haben die mir zum Glück angeborene Gelassenheit, negative Kommentare zu ertragen. Manche würde das in eine Depression stürzen und vom Arbeiten abhalten. Das muss also jede Künstlerin und jeder Künstler für sich selbst entscheiden.
Würdest Du Dich als Aktivist bezeichnen?
Ich selbst nenne mich Künstler und öffentliche Person. Vieles, was ich tue, hat einen Effekt auf Menschen. Manche würden mich deshalb Influencer nennen, einige eventuell Aktivist. Ich persönlich arbeite nicht mit diesen Begriffen, ärgere mich aber auch nicht, wenn andere sie verwenden.
Was tust Du selbst im Alltag fürs Klima?
Ich ernähre mich nahezu vegan. Ich schalte aus, was ich nicht benutze. Ich versuche, wo immer möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Ich unterstütze die Forschung und die Forderungen von Klimawissenschaftler:innen durch Reichweite auf meinen Social-Media-Kanälen. Allerdings schauen wir meiner Ansicht nach viel zu viel darauf, was wir, die Nachbarn oder der Arbeitskollege noch besser machen können. Es ist zweitrangig, ob Luisa Neubauer vielleicht hin und wieder auch mal Auto fährt oder Robert Habeck manchmal einen Döner isst. Meinetwegen könnte Klimaforscher Mojib Latif auch in den Urlaub nach Fuerteventura fliegen. Wir müssen aufhören zu glauben, dass uns vor allem individueller Verzicht und Maßregelung aus der Krise helfen. Diese Diskussion nimmt uns Zeit und Energie – und sorgt vor allem für Missgunst. Die großen Dinge müssen sich ändern, so schnell wie möglich.
Was hat Dich und Deine Familie dazu bewogen zu uns zu wechseln?
Ehrlich gesagt, hat meine Frau den Wechsel entschieden, ganz ohne mich. Ich habe davon erst kurze Zeit später erfahren und fand es dann super.
Wie willst Du Dich in Zukunft für den Klimaschutz weiter einsetzen?
Weiter auf Demos gehen und meine Reichweite für Aufklärung nutzen. Medien und Politik behandeln das Thema nicht mit der gebotenen Dringlichkeit. Das möchte ich gerne ändern, soweit es in meiner Macht liegt, und andere davon überzeugen, dies auch zu tun. Je mehr Menschen wissen und wirklich verinnerlichen, wo wir stehen, desto besser für den Wandel.
Viele Deiner Bilder spielen mit Alltagssituationen, sind dabei um die Ecke gedacht oder bringen Absurditäten humorvoll auf den Punkt. Wie kommst Du auf Deine Ideen?
Ich arbeite seit meinem 14. Lebensjahr als Texter, denke mir Geschichten und Witze aus. Inzwischen habe ich das so verinnerlicht, dass ich kaum noch darüber nachdenken muss, wie ich auf Ideen komme. Wenn ich neue Gags brauche, rufe ich irgendwann Gehörtes, Gelesenes und Gesehenes ab und baue daraus eine Pointe. Es ist wie bei allen Dingen, die man oft und regelmäßig macht, man wird besser. Ansonsten: Ein doppelter Espresso vor der Arbeit hat meinem Output noch nie geschadet.
Hast Du ein persönliches Lieblingswitzbild?
Dieses hier ist mir ganz gut gelungen, finde ich.