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EnergiewendeWärmepumpenInterview: "Wärmepumpen funktionieren auch im Hausbestand sehr gut"

Interview: „Wärmepumpen funktionieren auch im Hausbestand sehr gut“

Kaum will die Bundesregierung mit der Förderung von Wärmepumpen ernst machen, häufen sich Artikel auch in seriösen Medien und auf Webseiten, dieMarek Miara diese Technologie kritisch behandeln. Wir gleichen die Skepsis mit den Fakten ab und fragen dazu Dr. Marek Miara, einen führenden Wärmepumpen-Experten am hochangesehenen Forschungsinstitut Fraunhofer ISE:


Herr Miara, als Grundlage auch für Leser:innen, die sich mit dem Thema Wärmpumpe noch nicht wirklich auseinandergesetzt haben: Welche Rolle spielt diese Technologie für die Energiewende?
Diese Technik ermöglicht uns vor allem ein wesentlich CO2-ärmeres Energiesystem, denn mit Strom betriebene Wärmepumpen ersetzen fossil basierte Heizsysteme.

Sie leisten also einen konkreten Klimaschutzbeitrag. Wodurch entsteht der?

Grafische Darstellung der Wärmepumpen-Funktionsweise

Die Wärmepumpe braucht nur einen Anteil elektrische Energie, z.B. eine Kilowattstunde (kWh) Strom, und kann daraus durch die Nutzung vorhandener Umweltwärme in der Luft oder im Boden die drei- bis fünffache Menge Energie in Form von Wärme bereitzustellen. Wenn der Strom aus erneuerbaren Energien stammt, ist dies eine effiziente Wärmelösung.


Nun will die Bundesregierung ernst mit dieser Technologie machen. Und genau jetzt finden sich auch in seriösen Medien Artikel, die sich kritisch mit Wärmepumpen auseinandersetzen. Was ist da los?
Bei diesen Berichten überrascht mich, dass viele Behauptungen noch immer auf zehn oder 15 Jahre altem Wissen basieren. Dabei zeigen praktisch alle aktuellen wissenschaftlichen Quellen, dass Wärmepumpen heute sehr effektiv arbeiten. In vielen Fällen spiegeln die Artikel also vor allem Unwissen wider.

„Irrtum Nr. 1: Wärmepumpen sind nur für Neubauten geeignet“

Solche Berichte nehmen vor allem von Menschen wahr, die sich für das Thema interessieren und die so womöglich verunsichert werden. Welche Fehlinformationen sind am häufigsten?
Irrtum Nr. 1 wird leider selbst von eigentlich überdurchschnittlich gut informierten Energieberatern verbreitet: die Behauptung, Wärmepumpen seien nur für Neubauten geeignet. Das stimmt absolut nicht. Wir haben im Laufe von 20 Jahren Wärmepumpen in normalen Gebäuden in der Praxis vermessen. Die Hälfte der 300 untersuchten Anlagen war in Bestandsbauten, die teils über 100 Jahre alt waren und hohe Vorlauftemperaturen benötigten. Das klare Ergebnis dieser Tests: Die Wärmepumpe funktioniert auch im Bestand. Das zeigt nicht nur die Physik, das zeigt auch die Praxis.

Welche Zweifel gibt es noch?
Irrtum Nr. 2 lautet, Wärmepumpe könnten nur mit Fußbodenheizungen arbeiten. Auch das stimmt nicht. Dies wurde nicht nur bei uns, sondern auch in der Schweiz, in Skandinavien und vielen anderen Ländern nachgewiesen. Sie funktionieren bei guter Effizienz auch mit „normalen“ Heizkörpern. Diese beiden Haupt-Fehlinformationen sind besonders verbreitet, sie sind aber auch klar widerlegt.

Was ist mit Fehlinformation Nr. 3: Wärmepumpen würden oft zu ruinös hohen Energiekosten führen?
Da muss ich etwas ausholen: Beim Punkt „hohe Energiekosten“ geht es meist um Wärmepumpen im Bestand. In Neubauten sind sie ja praktisch Standard: 2021 Jahr wurden sie in 63 Prozent aller neuen Häuser eingebaut. Im Bestand ist das noch ganz anders. Dort stellen sich Interessierte vor allem zwei Fragen: Ist eine Wärmepumpe bei mir möglich und ist sie sinnvoll? Bei möglich fächert sich das auf in: Kann die Wärmepumpe die nötigen Temperaturen liefern? Und geht das mit Heizkörpern? Beide Fragen können wir klar mit ja beantworten.

Funktionieren Wärmepumpen mit Heizkörpern? Klare Antwort: Ja!“

Und wie sieht es bei sinnvoll aus?

Ist meine Gasversorgung gesichert?
Auch mit Heizkörpern wird es schön warm. Foto (c) Shutterstock

Da sind ebenfalls zwei Perspektiven zentral: die Ökologie und die Ökonomie. Ökologisch sind Wärmepumpen auf jeden Fall sinnvoll. Bei ökonomisch haben wir dann wiederum die Unteraspekte Betriebs- und Investitionskosten. Beim Thema Betriebskosten einer Wärmepumpe besteht bei Interessierten die Sorge: Wenn die Wärmepumpe nicht richtig arbeitet, wird es für mich teuer. Schauen wir uns also konkrete Praxisbeispiele an, z.B. ein teilsaniertes Haus mit 150 Quadratmeter beheizter Fläche. Da sieht die Rechnung bei einem Strompreis von z.B. 35 Cent/kWh so aus: Bei einer Wärmepumpe mit einer Effizienz von 3,5 kommen Sie auf ca. 150 € Heizkosten pro Monat. Liegt die Effizienz nur bei 3, sind die Mehrkosten noch mal 25 € im Monat höher. Arbeitet sie mit einem Effizienzfaktor von 2,5 sogar sehr schlecht, kommen wir auf 210 € monatlich. Diesen Fall hatten wir in all unseren Tests nur einmal, also bei 0,3 Prozent der untersuchten Wärmepumpen. Umgekehrt ist es tatsächlich so: In vielen Häusern laufen die Pumpen durch eine bessere Einstellung im Betrieb deutlich effizienter – entsprechend sinken die Kosten.

Kleines Zwischenfazit: 1. sind Wärmepumpe keine Kostenfalle. Wenn sie schlecht eingestellt sind, können 2. die Mängel oft behoben werden und die Wärmepumpe kann sogar besser laufen als geplant.
Gehen wir jetzt mal tiefer in die Details. Wie beurteilen Sie die Kritik, Wärmepumpen könnten nicht die nötige Vorlauftemperatur für Häuser im Bestand erzeugen?
Wir als Bewohner wollen unser Haus warm haben. Dazu muss das Wasser in den Heizungsrohren bzw. -leitungen bestimmte Temperaturen haben, ob bei Heizkörpern an der Wand oder der Fußbodenheizung. Je besser isoliert das Haus ist, desto niedriger kann diese Heizkreistemperatur sein; je schlechter, desto höher muss sie sein. Plus: Je kälter es draußen ist, desto höher muss wiederum die Vorlauftemperatur sein, um die gleiche Behaglichkeit zu erreichen.

Von welchen Temperaturen sprechen wir hier?
Die im Bestand erforderlichen Vorlauftemperaturen übersteigen eigentlich nie 55 oder 60° Celsius, selbst bei niedrigen Außentemperaturen. Diese Werte erreicht eigentlich jede Wärmepumpe auf dem Markt problemlos. Es gibt Sonderfälle, also Häuser, die eine höhere Vorlauftemperatur erfordern, z.B. bis zu 70°. Auch diese Temperaturen erreichen inzwischen diverse Wärmepumpen. Bei der Einführung der Wärmepumpe-Technologie war das noch nicht so der Fall.

Auch alte Bestandshäuser werden mit Wärmepumpe warm genug“

Beispiel Fachwerkhaus © BWP e.V.

Unser Monitoring hat gezeigt, dass die mittleren Vorlauftemperaturen in den untersuchten Häusern durchschnittlich deutlich niedriger waren. Selbst an den kältesten Tagen des Jahres genügen in der Regel 55 bis 60°, aber die erreichen aktuelle Wärmepumpen problemlos und die meisten älteren Modelle ebenfalls. Nur an einzelnen Tagen haben auch schon mal die Heizstäbe einspringen müssen. In der Jahresbilanz spielen Heizstäbe aber kaum eine Rolle, denn sie sind fast nie in Betrieb. Summa summarum, in Kurzversion: Selbst alte Bestandshäuser werden mit einer Wärmepumpe warm genug.

Was, wenn doch höhere Vorlauftemperaturen erforderlich sind?
Es gibt auf jeden Fall Modelle, die diese liefern. Wenn eine Wärmepumpe tatsächlich 75° erreichen muss, sollten sich Hausbesitzer:innen aber erst einmal fragen, wie sie diese Temperatur absenken können. Auch wenn ich nicht sanieren will oder kann, was eigentlich immer sinnvoll wäre, kann ich z.B. die Heizkörper austauschen, auch einzelne Heizköper. Allein mit dieser Maßnahme kann ich die Vorlauftemperatur absenken und die Effizienz der Wärmepumpe steigern.

Solch ein Heizköpertausch rentiert sich?
Sogar relativ schnell. Der Tausch einzelner Heizkörper gegen moderne Niedertemperaturheizkörper kostet etwa 600 bis 800 € pro Stück, auch schon mal 1.000 €. Im Vergleich zu einer Sanierung sind das aber relativ geringe Kosten.

Im Artikel des SPIEGEL Magazins (evtl. Bezahlschranke) wird ein Anwalt erwähnt, bei dem sich „die Fälle Unzufriedener“ stapelten, weil „die Technik nicht funktioniert wie gewünscht“. Bei Ihren Messungen in der Praxis sind Sie zu ganz anderen Ergebnissen gekommen. Woran liegt das?
Grundsätzlich beruht die Berechnung der Wirtschaftlichkeit auf der Effizienz einer Wärmepumpe unter bestimmten Bedingungen. Im Ergebnis wird dann prognostiziert, welche Temperaturen eine Wärmepumpe im untersuchten Haus voraussichtlich erreicht. Manchmal wird diese Prognose dann – zumindest zunächst – nicht voll erreicht. Tatsächlich läuft ja auch nicht jede Wärmepumpe im Feld perfekt. In diesen Fällen lässt sich der Betrieb dann aber meist optimieren. Dafür gibt es inzwischen spezialisierte Firmen. Die optimieren in der Regel aber nicht vom Status „sehr schlecht“ auf „mittelmäßig“, sondern meist von „mittelmäßig“ auf „gut“ oder „sehr gut“. Denn durch bessere Einstellungen kann ich die Effizienz der Wärmepumpe teils deutlich steigern.

Selbst eine sehr schlechte Wärmepumpe spart viel CO2 ein“

Grafik: Emissionsminderungen von Wärmepumpen im Vergleich zu Gasheizungen
Grafik: Emissionsminderungen von Wärmepumpen im Vergleich zu Gasheizungen; © Fraunhofer ISE

Das Fraunhofer ISE hat viele Wärmepumpen im Feld untersucht. Da sprechen wir also nicht von theoretischen Werten, sondern von der Praxis. Können Sie die Ergebnisse zusammenfassen?
Zunächst vorab: In unserer letzten Untersuchung, ausschließlich in Bestandsgebäuden, lag der mittlere Effizienzwert der Wärmepumpen einen Tick höher als vor 15 Jahren bei Messungen ausschließlich in Neubauten. Die „allerschlechteste“ untersuchte Anlage hatte eine Effizienz von 2,5 erreicht. Da handelte es sich aber auch um das Modell mit dem niedrigsten Effizienzwert im Markt. Ganz pauschal gesagt: Wenn Sie heute eine durchschnittliche Anlage kaufen und diese in durchschnittlicher Qualität installiert wird, dann ist die Wärmepumpe auch im Hausbestand effizient – sowohl ökologisch als auch ökonomisch, also bei den Betriebskosten.

Selbst im schlimmsten Fall, also einer Wärmepumpe mit schlechtem Effizienzwert – wie schneidet sie bei den CO2Emissionen im Vergleich zu einer effizienten Gastherme ab?
Ich kann das auf die Schnelle nur mit Werten von 2019 sagen: Beim Emissionsfaktor des Strommixes von 2019 (fossiler Anteil: 40,5 %; die Redaktion) spart eine Wärmepumpe selbst bei einem sehr schlechten Effizienzwert von 2,5 sogar im Vergleich zu einer Erdgastherme mit Solarthermie-Unterstützung bei der Warmwassererzeugung schon 33 Prozent CO2 ein. Eine Anlage mit 3,0 erreicht bereits 65 Prozent Einsparung. Und in Zukunft fällt der Klimaschutzeffekt durch den wachsenden Ökostrom-Anteil noch viel besser aus.

 

Michael Friedrich
Michael Friedrich
hat nach der Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule rund 25 Jahre als Redakteur gearbeitet, unter anderem bei WDR, Spiegel TV, GEO und dem Greenpeace Magazin. Seit 2015 ist er als Pressesprecher von Green Planet Energy für die Energiewende aktiv.