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EnergiewendeAnti-Atomkraft„Erneuerbare haben die Atomkraft erfolgreich kompensiert“

„Erneuerbare haben die Atomkraft erfolgreich kompensiert“

Vor gut einem Jahr sind die drei letzten deutschen Atomkraftwerke vom Netz gegangen – und keines der Horrorszenarien, vor denen die Atomlobby gewarnt hatte, ist eingetreten. Weder ging das Licht aus, noch explodierten die Strompreise. Wir haben mit Heinz Smital von Greenpeace gesprochen – über die Bilanz nach einem Jahr ohne Atom, die Frage, wie man ein Atomkraftwerk zurückbaut und über den preisgekrönten Film „Oppenheimer“.

energy: Im April haben Greenpeace und Green Planet Energy gemeinsam die Studie „Ein Jahr Atomausstieg in Deutschland“ veröffentlicht. Was sind die Kernergebnisse?

Porträt Heinz Smital (Greenpeace)
Heinz Smital, Kernphysiker und langjähriger Anti-Atom-Kampaigner bei Greenpeace Deutschland

Heinz Smital: Nach dem deutschen Atomausstieg am 15. April 2023 ist die Debatte um Atomkraft nicht verebbt. Deshalb haben die Datenexpert:innen von Enervis den Zeitraum von Mitte April 2024 bis Mitte März dieses Jahres betrachtet unter der Fragestellung: Welche Effekte hatte der Atomausstieg, und wie sieht der Strommarkt jetzt und in Zukunft ohne Kernenergie aus? Ein zentrales Ergebnis der Studie: Der Zubau von Erneuerbaren konnte den Wegfall von Atomkraft erfolgreich kompensieren.

Außerdem zeigt die Studie, dass der CO2-Emissionsfaktor, also wie viel Kohlenstoffdioxid für die Stromerzeugung entsteht, weiter gesunken ist – sowohl im Sommer- als auch im Winterhalbjahr des Untersuchungszeitraums. Insgesamt sind die CO2-Emissionen der Stromproduktion innerhalb dieses einen Jahres um 24 Prozent zurückgegangen. Das ist beachtlich, zumal die Stromnachfrage nur um ein Prozent geringer war als im Vorjahr. Die geringeren CO2-Emissionen liegen also weniger an einer schwächelnden Wirtschaft als am Zubau der Erneuerbaren Energien und einem höheren Import.

Stromerzeugung vor und nach dem deutschen Atomausstieg, Zuwachs an Erneuerbaren
Stromerzeugung vor und nach dem deutschen Atomausstieg, eigene Grafik, basierend auf unserer Studie mit Enervis

2023 hat Deutschland mehr Strom importiert als exportiert. Warum?

Im Untersuchungszeitraum der Studie ist Deutschland tatsächlich zum Stromimporteur geworden. Das heißt aber nicht, dass die Versorgungssicherheit bedroht war. Weil es einen länderübergreifenden Strommarkt gibt und der Strom überwiegend an der Börse gehandelt wird, kaufen viele Energieversorger nur nach dem Preis, und nicht nach dem Klimanutzen des Stroms.

Dennoch sind wir auf dem richtigen Weg: Fast die Hälfte des importierten Stroms stammte aus Erneuerbaren Energien. Die fossile Stromerzeugung wird sich zunehmend verteuern, weil die CO2-Zertifikate teurer werden. Langfristig rechnen fossile Energieträger sich nicht mehr, insofern wird auch der Strompreis durch den großen Zuwachs von Erneuerbaren Energien tendenziell fallen.

Allein 2023 wurden 14 Gigawatt an Photovoltaik zugebaut, etwa drei Gigawatt an Windkraft – der Erneuerbaren-Zubau nimmt endlich Fahrt auf, wozu auch politische Entscheidungen beigetragen haben.  Die Erneuerbaren Energien müssen weiter so rasant wachsen, damit wir so schnell wie möglich auch aus der fossilen Kohle- und Erdgasverstromung rauskommen. Mehr Erneuerbare führen mittelfristig dazu, dass Deutschland wieder mehr Strom exportiert als importiert.

Wie kommt es, dass Deutschland trotz Ausstieg weiterhin Atomstrom verbraucht?

Wir haben einen komplexen europäischen Strommarkt, manche verwenden das Bild von einem „Stromsee“. Da fließt Strom aus Land XY hinein, Deutschland leitet ihn weiter, zum Beispiel nach Österreich oder in die Schweiz. Eine Kilowattstunde Strom wird bis zu zwölfmal gehandelt, bis sie tatsächlich verbraucht wird. Es gibt viele unterschiedliche Quellen und Abnehmer. Ja, Deutschland hat im letzten Jahr Atomstrom aus Frankreich importiert, aber die Menge war gering. Deutschland hat auch viele Länder, die Atomstrom exportieren, mit erneuerbarem Ökostrom beliefert. Übrigens haben fallende Stromgroßhandelspreise dazu geführt, dass teurere deutsche Kohlekraftwerke zunehmend aus dem Markt verdrängt werden, weil sie im Preiskampf gegen günstigeren Strom aus dem Ausland verlieren. Man kann eine Energiequelle oder einen Standort also kaum einzeln betrachten, man muss es im Zusammenspiel der Kräfte anschauen und bewerten.

Im Detail ist dieser Markt sehr kompliziert und verflochten. Wichtig ist: Fast die Hälfte des in Europa gehandelten und verbrauchten Stroms stammte aus Erneuerbaren Energien. Wenn man im Bild bleibt, haben wir im europäischen Stromsee leider noch einige Liter Atomstrom. Die kriegt man nur raus bei einem europäischen Atomausstieg.

Wie lange dauert es, ein Atomkraftwerk zurückzubauen und wie viel kostet das? Wer bezahlt dafür?

Für den Rückbau sind in Deutschland die Betreiber der Atomkraftwerke zuständig. Die sind verpflichtet, dafür finanzielle Rückstellungen zu bilden. Deutschland ist vergleichsweise solide aufgestellt. Die deutschen Kernraftwerksbetreiber müssen dem Bund jährlich Bericht erstatten, wie viel Geld sie für welche Zwecke zurückgelegt haben: Personal, Material, Restbetrieb, Verpackung der Abfälle, Rückbau etc. Es gibt Untersuchungen, dass Betreiber in anderen Ländern deutlich zu wenig Rückstellungen gebildet haben. International muss man sich für jede einzelne Nuklearanlage ansehen, welche Regelungen gelten. So hat die EU Finanzierungen für die Reaktoren von osteuropäischen Beitrittsländern übernommen. Diese Budgets mussten immer wieder aufgestockt und Rückbauzeiten verlängert werden.

Das Atomkraftwerk Sellafield; UK
Das Atomkraftwerk Sellafield, UK, Bild: iStock, Maxian

Einen Reaktor zurückzubauen kostet nach Schätzungen gut eine Milliarde Euro, je nach Größe und Komplexität kann es auch erheblich teurer werden. Denn es ist ein kompliziertes Unterfangen, dieses kontaminierte Material zurückzubauen und so zu zerlegen, dass es in kleine, abgeschlossene Behälter passt. Im ganzen Prozess darf niemand direkt dazwischen hantieren, man braucht hochspezialisierte teure Technik. Und das dauert sehr lange. Das Atomkraftwerk Lubmin-Greifswald wurde 1990 abgeschaltet und wird seitdem zurückgebaut. Der Rückbau der stillgelegten Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield in Großbritannien soll erst in hundert Jahren abgeschlossen sein und über 120 Milliarden britische Pfund (circa 140 Milliarden Euro) kosten.

Wohin mit dem hochradioaktiven Müll? Kann es ein sicheres Endlager überhaupt geben?

Für die Lagerung ist grundsätzlich der Bund zuständig. Die Unternehmen haben sich von der Verantwortung freigekauft. Da es bislang kein Endlager in Deutschland gibt, haben wir es momentan immer mit einer Zwischenlagerung von vor allem hochradioaktivem Atommüll zu tun. Das bringt zunehmend Probleme mit sich, weil die Suche nach einem Endlager komplex ist und lange dauert und gleichzeitig die technischen Genehmigungen für die Castor-Behälter, in denen der Atommüll lagert, auslaufen.

Im Inneren eines solchen Castor-Behälters liegen hochradioaktive chemische Elemente in Bruchstücken. Im Inneren eines solchen Castor-Behälters liegen hochradioaktive Brennelemente. Durch den radioaktiven Zerfall entsteht eine Vielzahl chemischer Elemente, Gase und Korrosionsprodukte, die radioaktiven Staub entwickeln, der sehr gesundheitsschädigend ist. Man darf diese Behälter nur fernhantiert in speziellen Kammern öffnen.  Die sogenannte Endlagerung soll für eine Million Jahre gesichert sein, dafür gibt es aber keine technischen Lösungen. Die ältesten erhaltenen Bauten menschlicher Zivilisation, etwa die Pyramiden von Gizeh, sind circa 4.500 Jahre alt. Das entspricht nicht mal einem Prozent der Zeit, die für die sichere Atommüll-Lagerung vorgesehen ist!

In Finnland gibt es eine Baugenehmigung für ein Endlager. Dort gibt es wiederum ein anderes Problem. Man hat auf sehr massive Kupferbehälter gesetzt, in die einzelne Atommüll-Chargen eingebracht werden. Bei Kupfer dachte man, dass der nicht korrodiert und Ewigkeitsbestand hätte. Man denke an Kirchendächer, die mit Grünspan überzogen sind, aber nicht weiter verwittern. In versunkenen Schiffen hat man jedoch Kupfermünzen gefunden und festgestellt, dass die viel zu dünn sind, dass es sehr wohl eine Kupferkorrosion gibt. Dieses Problem bleibt beim Konzept des finnischen Atom-Endlagers ungelöst.

Die Urananreicherungsanlage im niedersächsischen Gronau läuft weiter – theoretisch lässt sich dort sogar waffenfähiges Material herstellen. Profitiert Deutschland indirekt vom internationalen Atomgeschäft, und ist der deutsche Atomausstieg eigentlich noch gar nicht komplett vollzogen?

Die dortige Anlage produziert für etwa 35 große Kraftwerke angereichertes Uran und spielt daher tatsächlich eine wesentliche Rolle in Europa und zum Teil darüber hinaus. Natürlich ist das kein kompletter Atomausstieg, es steht deutlich im Widerspruch zur Atomstrategie. Greenpeace hat im Zuge der Atom-Debatte ein Rechtsgutachten verfasst, wie man einen Ausstieg gestalten müsste. Wenn man zum Beispiel die gesetzliche Vorgabe für Übergangsfristen sehr eng wählt, muss man auch gewisse Investitionen ersetzen. Letztlich spricht viel dafür, genau diese Anlage auch über eine legislative Maßnahme, also per Gesetz, stillzulegen. Sobald irgendwo erneut ein gröberer Reaktorunfall passiert, werden gewiss viele Investitionen zurückgenommen, die man jetzt tätigt.

Welches Sicherheitsrisiko geht von so einer Urananreicherungsanlage aus?

Das sind andere Dimensionen als bei laufenden Reaktoren wie in Tschornobyl oder Fukushima. Bei dem Reaktorunfall von Tschornobyl sind etwa fünf Prozent des radioaktiven Inventars in die Atmosphäre gelangt. Dessen Strahlung hat 200.000 Quadratkilometer kontaminiert, das entspricht etwa der Hälfte der Fläche von Deutschland.

Die Anlage in Gronau liegt, was das Sicherheitsrisiko betrifft, dagegen eher auf dem Niveau von chemischen Anlagen, da gibt es sehr wohl auch gefährliche Sachen. Es gibt zum Beispiel das Uranhexafluid – wenn das entweicht, führt es zu starken Verätzungen und auch bei angereichertem Uran zu einer Bestrahlung. Es hat in Gronau mal einen Unfall mit einem falsch deklarierten Behälter gegeben, in dem normalerweise Tonnen radioaktives Material gelagert werden. Wenige Gramm kontaminiertes Material waren noch enthalten und der Behälter noch nicht gewaschen. Diese geringe Stoffmenge hat zur Strahlenbelastung von Mitarbeiter:innen geführt, die mussten in einer Spezialklinik behandelt werden. Das ist nicht ohne.

Ein Reaktorunfall ist aber eine viel größere Sache. Nach dem Reaktorunfall von Fukushima hat Naoto Kan, der damalige Premierminister Japans, gesagt, bei einem etwas anderen Unfallverlauf hätte man den Großraum Tokio mit seinen 50 Millionen Einwohner:innen evakuieren müssen. So ein Risiko- und Vernichtungspotential hat nur der laufende Reaktor bei einem schweren Kernschaden.

Von einer Abkehr von der Risikotechnologie wollen viele politische Entscheidungsträger:innen dennoch nichts wissen …

Gesprochen wird viel über Atomenergie, klar. Schon Nicolas Sarkozy hat während seiner Amtszeit als französischer Präsident den Bau von sechs EPRs in Frankreich angekündigt; das sind Kernkraftwerke mit Druckwasserreaktoren. Tony Blair wollte zehn Reaktoren in Großbritannien bauen. Polen hatte schon vor dem Reaktorunfall von Tschornobyl Pläne für eigene Kernkraftwerke – bis heute steht dort kein einziges, und die Finanzierung ist zweifelhaft. Die Planungs- und Bauzeiten nehmen Jahrzehnte in Anspruch, und zu den ökonomischen Problemen kommen praktisch immer technische hinzu.

Leerer verwilderter Freizeitpark in Tschernobyl
Verlassener Freizeitpark im Tschernobyl-Gebiet, Bild: Dasha Urvachova

Die USA, die die Entstehung des Atomreaktors gefördert haben, den man für die Atombombe brauchte, haben keinen einzigen Reaktor im Bau. Und in Europa wird zwar viel geplant, aber ob die Projekte jemals umgesetzt werden, bezweifle ich. Wenn man genau hinschaut, gibt es nur zwei Neubauprojekte innerhalb der Europäischen Union: Ein Reaktorbau in Frankreich, der sich schon lange verzögert und völlig überteuert ist, und einer in der Slowakei, der 1987 begonnen wurde und bis heute nicht fertig ist. Wenn man Großbritannien in die europäische Betrachtung einschließt, kommt deren Milliardengrab Hinkley Point C hinzu. Bei Baubeginn 2016 lautete die Prognose: 21 Milliarden Euro Baukosten. Mittlerweile steht das Projekt – nach heutigem Geldwert – bei 50 Milliarden, und der erste der beiden Reaktoren soll frühestens 2031 ans Netz gehen. Die Dimensionen sind irre, und die Frage ist berechtigt, wie viele Windräder und Solarparks man mit dem Geld in der Zeit auf der Insel hätte bauen können.

Hast du den Film „Oppenheimer“ gesehen?

Ja, und ich fand ihn sehr spannend, obwohl ich die Geschichte ja kannte. Die physikalischen Zusammenhänge waren damals sehr schnell klar: Dass man eine Bombe mit einer unglaublichen Energieentwicklung bauen könnte und die Gefahr, dass Nazi-Deutschland so eine Waffe haben könnte, hat enorme Anstrengungen in den USA verursacht, schneller zu sein als die Deutschen. Es war kein Zufall, dass viele geflüchtete jüdische Wissenschaftler:innen an der Entwicklung in den Staaten beteiligt waren. Im Nachhinein haben viele von ihnen ihre Rolle jedoch kritisch betrachtet. Denn wenn sie gewusst hätten, dass die Deutschen es nicht hinkriegen und der Krieg in Europa ohne die Sprengkraft einer Atombombe entschieden würde, dann hätten sie den Reaktor in Los Alamos wahrscheinlich nicht gebaut, dann hätte man heute vielleicht keine Kernenergie.

Es gab vor diesem ersten Atombombentest der Geschichte die große Frage, ob die enorme Hitze im Innern der A-Bombe – 100 Millionen Grad Celsius! – den Wasserstoff in der Atmosphäre zur Fusion bringen und dadurch so viel Energie freisetzen würde, dass die gesamte Atmosphäre in einem nuklearen Ball verglüht. Das hielten die Beteiligten zwar für unwahrscheinlich, aber dennoch: „Was, wenn es passieren würde? Wie können wir das verantworten?“ Diese Szene zeigt uns der Film sehr eindrücklich, wo Oppenheimer sich noch einmal mit seinem Team trifft, bevor sie zur Tat schreiten.

Aus Forschersicht sind die technischen Herausforderungen durchaus faszinierend. Die Folgen der Atombombenabwürfe über Nagasaki und Hiroshima im August 1945 zeigen aber allzu deutlich, welches unermessliche Leid menschlicher Erfindergeist ungewollt verursachen kann. Die sogenannte friedliche Nutzung der Atomkraft zur Energieversorgung ist ganz eng mit der Atombomben-Technik verknüpft, die in den falschen Händen Unmenschliches anrichtet.

Was hat es mit den Mini-Atomkraftwerken auf sich?

Einige Atomkraftbefürworter:innen setzen ihre Hoffnung in sogenannte Small Modular Reactors (SMR). Das sind kleine Reaktoren, die sich fabrikmäßig in Massenproduktion herstellen lassen und dadurch kostengünstig sein sollen – so die Theorie. Das ist illusionär. Die Firma, die am weitesten fortgeschritten war, NuScale aus den USA, hat vor der Konkretisierung ihres Projekts die Kostenprognose stetig erhöhen müssen, bis es genauso teuer war wie ein klassischer Reaktor. Das Projekt wurde dann gecancelt. Die Aktien der Firma sind auch eingebrochen. Anderen wird es ähnlich gehen.

Wir dürfen uns die Mini-AKWs übrigens nicht als harmlose Miniaturkraftwerke vorstellen. Bei SMR sprechen wir über Kapazitäten von bis zu 300 Megawatt. Grundremmingen A hatte 250 Megawatt und passt gut in die SMR-Klasse. Er war aber nur zehn Jahre in Betrieb, weil sich die Reparatur nach einem Störfall bei der geringen Leistung nicht mehr rechnete.

Die Leistung der konventionellen Reaktoren ist immer größer geworden, weil es sich wirtschaftlich lohnt. Warum jetzt genau das Gegenteil ökonomisch interessant sein soll, erschließt sich mir nicht.

Man kann außerdem nicht sofort in Serienproduktion gehen, man muss erstmal viele Prototypen bauen und die im Betrieb testen. Die EPR-Baureihe ist dafür ein Beispiel. Das sind französische Druckwasserreaktoren, von denen jetzt ein fünfter in Großbritannien gebaut wird. Der macht immer noch sehr viele Probleme, und wenn man den gleich in Serie gesetzt hätte, hätte man einen Problemreaktor in Serie produziert, das ist ja kein Gewinn.

Weltweit gibt es nirgends eine Industriestraße, die am laufenden Band SMR produzieren könnte. Es ist nicht absehbar, dass das zu einer relevanten Sache wird. Da und dort werden einzelne Reaktoren gebaut werden, es wird Probleme geben, die man beheben muss, und dann baut man vielleicht noch einen anderen, dann gibt es neue Probleme und so fort. Für die Stromerzeugung wird das alles irrelevant sein, und das ist das entscheidende: Man steckt viel Zeit und Geld in solche Scheinlösungen, die bloß zum Nichtstun bei echten Klimaschutzmaßnahmen führen. Das gefährdet die Klimaschutzziele immens.

Ähnliches gilt für die Fusionstechnologie.

Die Fusionstechnologie ist noch weiter weg von einer Realisierung, und das ist gefährlich. Es ist in Ordnung, mit 100 Millionen Grad zu experimentieren. Man hat auch Beschleunigerringe und will Antimaterie erzeugen und hat Teleskope, die in den Weltraum gucken. Gegen menschliche Neugier habe ich nichts einzuwenden, das zeichnet uns als Spezies in besonderem Maße aus. Man soll aber nicht behaupten, dass es für die Energieversorgung realistisch und relevant ist.

Übrigens habe ich selbst Kernfusion betrieben. Ich war Mitte der 1980er Jahre im Schweizer Institut für Nuklearforschung und habe mich dort mit katalysierter Kernfusion beschäftigt, weil es spannend ist, das sind riesige Maschinen, und es war ein richtig nettes Team. Ich kann verstehen, dass jemand sagt: „Ich möchte das weiter erforschen“. Aber nicht mit solchen falschen Versprechungen.

 Weiterlesen: Unsere gemeinsame Studie zum deutschen Atomausstieg