Thomas Seipolt studierte nach eigenen Angaben Maschinenbau und Kerntechnik in Zittau. Anschließend war er sieben Jahre lang technischer Leiter bei einem Atom-Rückbau-Unternehmen in Dresden. 2002 heuerte er als Abteilungsleiter bei Nukem Technologies im bayerischen Alzenau an, stieg dort 2009 zum Bereichsleiter auf und ist seit 2014 Geschäftsführer der Tochterfirma Nukem Technologies Engineering Services GmbH. Eine Beförderung unter russischer Aufsicht. Seit 2021 ist Thomas Seipolt zudem Vorstandsvorsitzer von Kerntechnik Deutschland e. V. (KernD), einem Zusammenschluss des Deutschen Atomforums e. V. und des Wirtschaftsverbandes Kernbrennstoff-Kreislauf und Kerntechnik e. V..
Angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der damit zusammenhängenden Frage der Energieimporte zweifelt der Verband an der „Machbarkeit und Sinnhaftigkeit“ des Atomausstiegs. KernD plädiert vorgeblich zur Sicherung der Energieversorgung für einen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke über den Jahreswechsel hinaus. Nur so könne ein Beitrag zur Energieversorgungskrise geleistet werden, die „noch mehrere Jahre andauern“ werde. Ein diskutierter Streckbetrieb sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr sinnvoll. Um Strompreis und CO2-Ausstoß zu minimieren, sei die Beschaffung neuer Brennstäbe dringend nötig. Auf Twitter schmückt sich der Verband gerne mit Aussagen der deutschen Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die unter anderem fordert, sich durch längere Laufzeiten aus „den Fängen Putins [zu] befreien“.
Umso paradoxer erscheint es, dass der Vorstandsvorsitzende von KernD selbst auf der Gehaltsliste eines russisch kontrollierten Unternehmens steht. Mit der zentralen Rolle im Atomsektor spielen längere Laufzeiten und der Ausbau der Atomkraft in Europa vor allem Russland in die Hände. In Deutschland ist im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern zwar keine direkte Abhängigkeit von Brennstoffen feststellbar, aber durch den Kauf von Nukem Technologies hat sich Russland eine strategische Position im europäischen Markt gesichert – und es zudem geschafft, den obersten Atomkraftlobbyisten Deutschlands zu stellen. Thomas Seipolt bedauerte auf der Konferenz Kerntechnik 2022, „dass einige nicht über den Schatten ihrer angestammten Position springen können, komme was da wolle“. Diese Äußerung wirkt mehr als scheinheilig, wenn man bedenkt, dass Seipolt Energieunabhängigkeit vorschiebt, um russlandfreundliche Lobbyarbeit zu machen.