Aufgewachsen im Rheinischen Revier als Pfarrer der Evangelischen Gemeinde zu Düren, aktiv im Widerstand gegen die Braunkohle und mit klarer Vision für die Zukunft: Martin Gaevert predigt nicht nur von der besseren Welt für Düren, sondern hat die Solaranlage gekauft und bereits aufs eigene Gemeindehausdach gebracht.
„Mit 16, als der saure Regen kam, bin ich zum Öko geworden. Ich bin aufgewachsen in einer Gegend mit Blick auf die Sophienhöhe, eine Halde für Braunkohle-Abraum – als Kind habe ich in die Grube geguckt. Das hat mich sehr geprägt.“
Mit der Grube meint Martin Gaevert den Tagebau Hambach, der sich unmittelbar vor seinem Elternhaus tief in die Erde fraß. Mit der Region ist der 55-jährige bis heute eng verbunden: Seit 18 Jahren ist er Pfarrer der Gemeinde Düren. Sie liegt zwischen Aachen und Köln – und damit mitten im Rheinischen Braunkohlerevier.
Den Widerstand gegen die Kohle erlebt Gaevert hier seit Jahrzehnten mit. Aber erst durch die Evangelische Gemeinde ist er seit 2003 auch Teil des aktiven Widerstandes geworden. Das Gelände seiner Gemeinde liegt am östlichen Rand des Hambacher Waldes – und damit am größten Braunkohletagebau des Rheinischen Reviers. Die Besetzung des Waldes – die in den Protesten im Jahr 2018 ihren Höhepunkt erlebte und die schließlich darin mündete, dass der Wald vorerst erhalten bleibt – erlebte Gaevert hautnah mit. Der persönliche Kontakt zu den Waldbesetzenden, sie bei ihrem friedlichen Protest zu begleiten, war für ihn wichtig. „Wir haben Andachten an der Abbruchkante gehalten, das war für alle Beteiligten sehr besonders.“
Die abgebaggerten Landschaften bewegen Gaevert sehr. Er ist überzeugt, dass die Natur nicht weiter ausgebeutet werden darf. „Ich zweifle an der Idee des dauernden qualitativen Wachstums. Wir können nicht immer neue Märkte erschließen und unsere Natur immer mehr ökonomisieren. Wir sind an einem Punkt, wo großes Wirtschaften nur noch Nachteile bringt.“ In seiner Gemeinde predigt er deshalb den Gedanken der „Mitwelt“, in der der Mensch ein Teil der Schöpfung ist – und nicht ihr Mittelpunkt. „Der Mensch darf sich nicht als das Zentrum sehen und alles andere zur Umwelt degradieren. Damit beschäftigt sich die Gemeinde bereits seit dem Jahr 1990.“ Die Konsequenz daraus, wie Gaevert es sieht: „Wenn wir so weiter machen, hat das keine Zukunft. Ein Wechsel und ein Umdenken sind dringend nötig.“
Und dabei gibt er mit seiner Gemeinde ein Beispiel: Schon seit dem Jahr 2018 wird das Dach des architektonisch anspruchsvollen Gemeindebaus in Düren eine mit besonderem Aufwand integrierte Solaranlage mit zehn Kilowatt Spitzenleistung (kWp) geziert – mitinitiiert von Pfarrer Gaevert. Jüngst wurde sie um 15 kWp erweitert, auf nun insgesamt 25 kWp. Wiederum finanziert von Solarstrom plus-Kund:innen von Greenpeace Energy, die für solche Projekte eigens einen zusätzlichen Fördercent je verbrauchter Kilowattstunde zahlen. Der Sonnenstrom versorgt das evangelische Gemeindehaus, das mit seiner Größe von mehr als 3.000 Quadratmetern einen beachtlichen Bedarf hat: Unter einem Dach befinden sich etliche Büros, viele Gruppenräume für Ehrenamtliche, die Räume der kirchlichen Beratungsstelle und Familienbildung, eine Groß- und Lehrküche und ein Repair-Café. Hinzu kommt eine Tiefgarage, in der soeben fünf Wallboxen für die Elektroautos der Diakoniestation installiert wurden. In Düren nicht verbrauchten Solarstrom aus der Anlage nimmt Greenpeace Energy ab, das auch Strom liefert, wenn der Himmel mal bedeckt ist.
Das Prinzip einer Genossenschaft ist für Gaevert ein wichtiges Element für den von ihm für sinnvoll erachteten Zukunftsweg, weil sie partizipativ ist. „Für mich ist es wichtig, dass Wirtschaften auf diese Weise läuft. Greenpeace Energy setzt sich gegen alte, fossile Energien ein und gegen Tagebaue – das ist ein Grundgedanke, der zu uns passt.“ Dass auf dem Haus der Dürener Gemeinde eine große Solaranlage prangt, liegt für Gaevert auf der Hand: „Wir bemühen uns um die Reduktion von Ressourcen. Das wollen wir nicht nur predigen, sondern auch leben. Da gehört die Anlage als ein Baustein dazu – der aktive Widerstand gegen die Kohle ist ein anderer.“
Für seine „Mitwelt“ hat Gaevert einen wichtigen Wunsch: „Für unsere Region wünsche ich mir, dass das Drumherum, mit dem wunderschönen Eifel-Ruhr-Eingangstal nicht weiter zerstört wird.“