Ein Ort, in dem alle Generationen sinnvoll zusammenleben, mit kleinen Betrieben und Genossenschaften – und dazu eine autarke Versorgung aus erneuerbaren Energien: Das ist die Vision von Pödelwitz, ein kleines Bauerndorf nahe Leipzig, das sich über Jahrzehnte gegen das Abbaggern für einen Braunkohletagebau gewehrt hat.
Ein Dorf kämpft ums Überleben
Jens Hausner ist 54 Jahre alt und Landwirt. Gemeinsam mit seiner Frau bewirtschaftet er im sächsischen Pödelwitz einen Hof, der seit 300 Jahren in Familienbesitz ist – und seit Jahrzehnten bedroht durch den Braunkohletagebau „Vereinigtes Schleehain“. Früher waren in Pödelwitz 140 Menschen zuhause. Aktuell zählt das Dorf nur noch 35 Einwohner*innen. Die anderen hatten sich vom Kohlekonzern MIBRAG aus ihrem Zuhause herauskaufen lassen, etliche Häuser stehen leer. „Mit ansehen zu müssen, wie gewachsene Natur weggebaggert und unwiderruflich zerstört wurde, war für mich als Landwirt ganz schlimm“, erzählt Hausner. Doch er und seine Mitstreiter*innen haben sich gegen das Abbaggern ihres Dorfes mit aller Kraft gewehrt.
Jens Hausner: Landwirt und Visionär für eine erneuerbare Zukunft
Anfangs ging es ihm und den anderen Aktiven wie Thilo Kraneis und André Kremkow in Pödelwitz vor allem darum, ihr Eigentum zu schützen und ihre Heimat zu erhalten. Doch daraus wurde bald mehr. Sie gründeten eine Bürgerinitiative, erhielten Unterstützung von Umweltschutzorganisationen, zum Beispiel von Greenpeace.
Gemeinsam stark: Bürgerinitiative und Unterstützer im Einsatz
Zahllose Aktionen, eine unermüdliche Medienarbeit sowie zwei Klimacamps brachten nach jahrzehntelangem Protest schließlich den Durchbruch: Im Dezember 2019 sprachen sich die Koalitionspartner der aktuellen sächsischen Landesregierung – CDU, SPD und Grüne – für den Erhalt des Dorfes aus. So steht es nun auch im Koalitionsvertrag.
Der Wendepunkt: Das Ende der Abbaggerungspläne
Worauf die Pödelwitzer zuvor nur hofften, das packen sie jetzt konkret an: eine bessere Zukunft. „Wir wollen Pödelwitz seinen dörflichen Charakter von früher wiedergeben“, sagt Hausner. Und da, findet er, ganz der zupackende Optimist, biete der Leerstand all der Häuser viele Chancen, den Ort mit frischen Ideen und engagierten Menschen wieder aufleben zu lassen. Von nun an sollen aber keine Entscheidungen mehr über die Köpfe der Pödelwitzer hinweg getroffen werden: „Wir wollen mitreden, wie die Wiederbelebung gelingen soll.“
Neue Visionen: Ein Dorf der kurzen Wege und erneuerbarer Energie
Ihre eigenen Ideen zur Zukunft des Ortes hat die Bürgerinitiative mit Dorfbewohner*innen und anderen Bündnispartnern schon vorgestellt. Punkt Eins: Pödelwitz darf nicht länger als „Vorbehaltsgebiet Braunkohleabbau“ gelten, sondern sein Erhalt rechtssicher festgeschrieben werden. Dies ist der letzte formelle Schritt, der ihr Dorf endgültig rettet. Zudem sollen die von der MIBRAG gekauften Gebäude zunächst in staatliche Hand übergehen und dann an junge Familien und Gruppen verkauft werden. Das Pödelwitz der Zukunft soll ein „Dorf der kurzen Wege“ sein, mit Arbeitsplätzen im Handwerk, einem Gasthof und natürlich der Landwirtschaft. Die Flächen der umliegenden Tagebaue sollen nach der Renaturierung in Naturschutzgebiete umgewandelt werden.
Solarmodule auf dem Dach: Autarke Energieversorgung für Pödelwitz
Ein weiterer entscheidender Punkt ist eine autarke Energieversorgung, besonders mithilfe von Sonnenenergie. Dazu werden die Bewohnerinnen und Bewohner eine eigene Genossenschaft gründen. Hausner selbst sowie zwei weitere Pödelwitzer sind schon einen Schritt weiter: Auf ihren Häusern prangen schon Solarmodule – installiert mit Unterstützung von Greenpeace Energy. Das Geld stammt aus dem Fördertopf, mit dem Solarstrom plus-Kundinnen und -Kunden den Ausbau der Erneuerbaren in den Tagebaurevieren unterstützen. Hausner kann mit der Anlage auf seinem Dach den eigenen Strombedarf komplett decken, was er nicht nutzt, speist er ins Netz ein. „Uns ist es wichtig, dass wir gerade hier in der Braunkohleregion ein Zeichen dafür setzen, dass Energieerzeugung auch klimafreundlich geht“, sagt er.
Ein Zeichen setzen: Solidarität mit anderen bedrohten Dörfern
Für die Pödelwitzer ist der Widerstand damit aber noch nicht beendet: „Wir wollen unsere Erfahrungen mit den anderen vom Abbaggern bedrohten Dörfern teilen“, sagen sie. „Wir sind mit ihnen in Kontakt und werden nicht ruhen, bis sicher ist, dass alle Dörfer bleiben.“