Stilllegungs-Auktionen für Steinkohlekraftwerke sind teuer und für den Klimaschutz ineffizient
Das Ausschreibungssystem zur Stilllegung von Steinkohlekraftwerken in Deutschland ist teurer als nötig und ineffizient beim Klimaschutz. Das ist die Einschätzung des Ökoenergieanbieters Greenpeace Energy auf Grundlage einer empirischen Kurzanalyse der Beratungsfirma enervis. Diese hat die erste Auktionsrunde zu Steinkohlestilllegungen untersucht. In den regelmäßig stattfindenden Auktionen, deren nächste Runde morgen startet, vergibt der Bund Abschalttermine für Steinkohlemeiler auf Grundlage von Geboten der Kraftwerksbetreiber. Diese müssen sich dabei um einen Zuschlag bewerben: Je geringer die von ihnen geforderte Abschaltprämie, desto wahrscheinlicher der Zuschlag.
In den bisherigen Auktionen kamen allerdings nicht unbedingt jene Kraftwerke mit dem höchsten CO2-Ausstoß zum Zuge. Stattdessen versuchen Kohlekonzerne offenbar durch ihr Bieterverhalten, möglichst hohe Entschädigungszahlungen für ihren jeweiligen Kraftwerkspark zu erwirken. „Der Staat versüßt den Betreibern den Kohleausstieg mit hohen Millionenbeträgen, ohne dabei das Maximale für den Klimaschutz herauszuholen“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand von Greenpeace Energy.
So zeigt die Kurzanalyse, dass Kraftwerksbetreiber in der ersten Ausschreibungsrunde offenbar „strategisch“ bieten konnten: Moderne Anlagen wurden demnach mit einem niedrigen Gebot in den Auktionen platziert. Ältere und deutlich schmutzigere Anlagen wurden in derselben Ausschreibungsrunde bewusst mit höheren Stilllegungs-Geboten ins Rennen geschickt – und erhielten am Ende, gemessen am wirtschaftlichen Restwert der Anlagen, deutlich überhöhte Stilllegungs-Prämien. So hat der Vattenfall-Konzern laut Analyse für das moderne Kraftwerk Moorburg in Hamburg rechnerisch maximal rund 60 Euro pro Kilowatt Leistung geboten, während für deutlich ältere Blöcke bis zu 150 Euro pro Kilowatt geboten worden sein dürften.
Dem Wesen der Pay-as-Bid Ausschreibungsregeln folgend platzierten die Kraftwerksbetreiber ihre Kraftwerke in den Auktionen also offenbar mit Auf- oder Abschlägen und orientieren ihre Angebote nicht nur am Wert ihrer Kraftwerke. Was sich für die Konzerne finanziell lohnen kann, macht den Kohleausstieg für die Gesellschaft aber teurer, weil Kraftwerke zu höheren CO2-Vermeidungskosten als notwendig stillgelegt werden. Insgesamt führt dies aber volkswirtschaftlich zu höheren CO2-Vermeidungskosten, als wenn stringent die ältesten und ineffizientesten Kraftwerke stillgelegt und auf Grundlage ihrer tatsächlichen Restwerte entschädigt worden wären.
Das Auktionssystem erzielt demnach auch nicht die erhofften Klimaschutzeffekte: „Wenn die Abschalt-Reihenfolge der Steinkohlekraftwerke sich an der CO2-Intensität orientieren würde, wären in der ersten Ausschreibungsrunde deutlich mehr CO2-Emissionen von Steinkohle eingespart worden“, so Tangermann. Stattdessen wurden aber in dieser Auktion Ende 2020 auch Kraftwerke mit geringen CO2-Emissionen stillgelegt.
Die Ausschreibungen können der Analyse zufolge auch zu weiteren Fehlanreizen führen: So könnten Kraftwerksbetreiber bereits unrentable Meiler länger am Markt halten, als dies sonst wirtschaftlich sinnvoll wäre: Etwa dann, wenn die aktuelle Auktionsrunde bereits überzeichnet ist und die Betreiber davon ausgehen, in späteren Runden höhere Entschädigungen für eine Kraftwerksstilllegung zu erzielen. Dann kann sich für sie finanziell lohnen, die Stilllegung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.
„Ein Auktionssystem, das Betreibern ein solches Verhalten erlaubt, erweist dem Klimaschutz einen Bärendienst“, sagt Sönke Tangermann von Greenpeace Energy. „Die Bundesregierung sollte die Möglichkeiten für strategische Gebote eindämmen, indem sie beispielsweise die Angebotsmenge in den Ausschreibungen erhöht– und so für mehr Wettbewerb sorgt.“ Eine Evaluierung und mögliche Überarbeitung des Steinkohleausstiegs ist laut Kohleausstiegsgesetz für das Jahr 2022 geplant.