Kühltürme stoßen Dampf aus. Sie stehen in einer Industrieanlage mit Stromleitungen im Vordergrund. Der Himmel ist bei Sonnenuntergang in warmen Farben getaucht. Der Vordergrund zeigt Wasser mit sanften Wellen.
Atomkraftwerk bei Avignon in Südfrankreich. Foto: Bob Pool/Shutterstock.

Auch hierzulande finden sich immer wieder politische Stimmen, die eine Laufzeitverlängerung der letzten drei noch laufenden AKWs über das im Atomausstieg festgelegte Abschaltdatum Ende 2022 hinaus fordern. Zuletzt hatte auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) eine „ideologiefreie“ Debatte über längere Atom-Laufzeiten eingefordert. Sein Kabinettskollege Robert Habeck (Grüne) zeigte sich hier mit Blick auf den Beitrag der Atomenergie zur Versorgungssicherheit skeptisch. Die neue Analyse gibt dem Wirtschaftsminister Recht: „Laufzeitverlängerungen für bestehende Reaktoren sind für die Sicherheit der Energieversorgung tatsächlich als weniger effektiv einzuordnen als nachhaltige Investitionen in andere Kraftwerkstechnologien“, so das Fazit von Analyst Michael Claußner von Energy Brainpool.

Im untersuchten Beispielland Frankreich verschlechterte sich laut Analyse die Verfügbarkeit der dortigen Reaktoren langfristig im Schnitt um vier Prozentpunkte pro Jahr. Im April und Mai 2022 wurden dort sogar historische Tiefstwerte erreicht: Mehr als die Hälfte der installierten Kraftwerksleistung in Frankreich stand in diesem Zeitraum still. Die Folgen: Die Strompreise im Land schossen auf historische Höchstwerte – und Frankreich dürfte 2022 laut Analyse erstmals seit langer Zeit wieder Nettostromimporteur werden, statt überschüssigen Strom zu exportieren.

Die hohen Ausfallzahlen in Frankreich sind laut Energy Brainpool sowohl auf geplante Instandhaltungsmaßnahmen und Inspektionen zurückzuführen als auch auf auch strategische Drosselungen zur Einsparung von Brennstoff. Hinzu kommen Abschaltungen wegen aufgetretener Schäden an den Anlagen, wie etwa Korrosionen. Prognosen des Betreiberkonzerns EDF deuten laut Analyse darauf hin, dass sich die Versorgung mit Atomstrom weiter verschlechtert: Für 2023 erwartet EDF demnach nur noch eine Produktion von 300 bis 330 Terawattstunden, „der niedrigste Wert seit 30 Jahren“, so Energy Brainpool.

„Die Probleme der mangelnden Versorgungssicherheit lassen sich auch auf Deutschland übertragen“, sagt Sönke Tangermann. Die drei hierzulande noch verbliebenen Meiler – Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 – sind jeweils mehr als 30 Jahre alt. Ungeklärt ist, wie groß der technische Nachrüstbedarf für eine Laufzeitverlängerung ist – und auch, ob die AKWs dafür längere Zeit vom Netz genommen werden müssten. Bisher zurückgestellte sicherheitsrelevante Prüfungen und Instandhaltungsarbeiten müssten jedenfalls nachgeholt werden.

Zudem fehlen Personal, Ersatzteile und vor allem Uran-Brennstoff, weil die AKW-Betreiber bisher fest mit einem Betriebsende im Dezember 2022 kalkuliert haben. Weil die Neubeschaffung von Uran bis zu zwei Jahre Zeit benötigen würde, ist nicht auszuschließen, dass die Meiler bis dahin nur mit phasenweise gedrosselter Leistung arbeiten könnten. „Wer hierzulande behauptet, die drei letzten deutschen AKWs würden quasi als Rundum-Sorglos-Paket russisches Gas und Öl ersetzen können, betreibt gezielte Augenwischerei“, kritisiert Tangermann.

Stattdessen sollte Deutschland „Kurs halten und, wie geplant, konsequent den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung ausbauen“, so der Green-Planet-Energy-Vorstand. Neben neuen Wind- und Solarparks wären unter anderem mehr wasserstofffähige Gaskraftwerke und eine Modernisierung bestehender Wasserkraftwerke hilfreich, ergänzt Michael Claußner von Energy Brainpool: „Diese Technologien bringen für die Sicherung der Energieversorgung einen größeren Nutzen als die diskutierte Laufzeit-Zugabe für alte Atomkraftwerke.“