AKW Emsland bei Lingen. Foto: Hans Engbers/Shutterstock

Der gesamte deutsche Gasverbrauch belief sich im Jahr 2020 auf 875 Terawattstunden. Das AKW Emsland könnte davon – aufs Gesamtjahr gesehen – laut Berechnungen von Energy Brainpool maximal drei Terawattstunden kompensieren. Damit könnten durch das AKW im Nordwesten Deutschlands also lediglich 0,4 Prozent des hiesigen Gasverbrauchs eingespart werden – selbst dann, wenn der Meiler das gesamte Jahr 2023 über weiterlaufen würde. Bei einem Weiterbetrieb nur bis April 2023 – Laufzeiten darüber hinaus sind wegen des abgebrannten Kernbrennstoffs rein physikalisch enge Grenzen gesetzt – fällt der ersetzte Gasanteil noch deutlich geringer aus.

Zudem hätte eine Laufzeitverlängerung kaum eine dämpfende Wirkung auf die Strompreise: Laut Hintergrundpapier würde das Strompreisniveau durch ein Weiterlaufen aller drei noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke – also auch Isar 2 und Neckarwestheim – im Gesamtjahr 2023 um rund ein Cent pro Kilowattstunde abgesenkt werden. „Betrachtet man auch hier nur das eine AKW im Emsland auf der Basis von nur drei statt zwölf Monaten Laufzeit, so ist die entlastende Wirkung allenfalls homöopathisch“, kritisiert Sönke Tangermann, Vorstand bei Green Planet Energy.

Der geringe Nutzeffekt eines AKW-Weiterbetriebs zeigt sich laut Analysten auch beim Blick auf die Netzstabilität: „Emsland speist seinen Strom weit entfernt von den innerdeutschen Netzengpässen und weitab von den Grenzkuppelstellen Richtung Frankreich ein“, so Fabian Huneke von Energy Brainpool. Zusätzliche Strommengen werden aktuell vor allem von der Industrie in Süddeutschland sowie im französischen Netz benötigt, nachdem dort zahlreiche Atommeiler nicht zur Verfügung stehen. Bei hoher Stromnachfrage würde das AKW Emsland nur etwa 1,7 Prozent der deutschen Stromnachfrage decken.

Fazit von Green-Planet-Energy-Vorstand Sönke Tangermann: „Der Nutzen des letzten norddeutschen Atomreaktors in der jetzigen Energiekrise ist verschwindend gering und sein Weiterbetrieb energiewirtschaftlich nicht zu rechtfertigen – vor allem angesichts der damit einhergehenden Kosten und Risiken.“ Dazu zählt laut Tangermann auch die gewachsene Gefahr von gezielter Sabotage an Atomanlagen in Deutschland. „Nach den Vorfällen bei der Bahn und den Nord-Stream-Pipelines müssen wir dieses Risiko auch mit Blick auf Atomkraftwerke unbedingt ernst nehmen.“