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EnergiewendeKohleausstiegKampf gegen die Braunkohle - damit alle Dörfer bleiben!

Kampf gegen die Braunkohle – damit alle Dörfer bleiben!

Eigentlich hat sein Dorf reichlich Zutaten für ein Idyll: Satte Ackerböden umgeben das Örtchen, dessen Geschichte bis ins Jahr 1385 zurückreicht. Hier entspringt das Flüsschen Niers mit seinen grünen Ufern, das in den nicht allzu fernen Niederlanden in die Maas mündet. In der Nähe liegt der Keyenberger Wald. Doch dessen Rauschen wird oft vom Malmen und Knirschen der Baggerschaufeln im Braunkohletagebau Garzweiler II übertönt, die sich zwei Kilometer entfernt in Richtung Kuckum fressen.

David Dresen ist hier aufgewachsen. Die meisten seiner 29 Jahre hat er im Dorf mit seinen ehemals gut 450 Einwohner*innen verbracht. „Seit meiner Kindheit lastet die Drohung auf uns, dass mein Elternhaus, das ganze Dorf spätestens 2027 für diesen Tagebau verschwinden soll“, erzählt David. Viele ehemalige Nachbar*innen hat das so mürbegemacht, dass sie aufgegeben haben und fortgezogen sind.

David Dresen von „Alle Dörfer bleiben“ beim Protest gegen RWE. Foto: Christoph Schnüll

Der studierte Philosoph und Politikwissenschaftler, schon lange an Klimaschutz und nachhaltigem Leben interessiert, hingegen hat sich – wie etliche andere – zum Kämpfen entschlossen. David Dresen engagiert sich als wortmächtiger Sprecher in der Initiative Alle Dörfer bleiben, einem Ende 2018 gegründeten Bündnis von Dörfern aus allen drei deutschen Braunkohleregionen, die vom Abbaggern bedroht sind. „Zwar haben wir einzelne dieser Dörfer wie Pödelwitz in Sachsen durch unseren Widerstand schon gerettet, doch viel zu viele sind trotz des Kohlekompromisses weiterhin massiv bedroht“, sagt er. Kuckum gehört dazu, ebenso weitere fünf Dörfer am Tagebau Garzweiler II und eines am Tagebau Hambach.

Dabei ist die Zerstörung der Dörfer energiewirtschaftlich gar nicht erforderlich, wie ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag von Greenpeace erst im Mai 2020 klar belegte. Doch die informelle Koalition aus RWE und der nordrhein-westfälischen Landesregierung um CDU-Ministerpräsident Armin Laschet – von Kritikern bündig NRWE genannt – setzt weiter stur auf die schmutzige Braunkohle. „Wir nehmen das nicht hin und wehren uns mit aller Kraft gegen diese Pläne“, stellt David klar.

Bisher trennte die Landstraße 277 (Bildhintergrund) den Tagebau Garzweiler II vom Dorf Keyenberg. Doch RWE hat gerade mit deren Abriss begonnen. Screenshots: Alle Dörfer bleiben

Der Kampf ist noch lange nicht entschieden, trotz aller Fakten, die RWE schaffen will, und der Fäden, die der Kohlekonzern im Hintergrund politisch zieht. Denn wie groß der Widerstand im Rheinischen Revier gegen die Braunkohlepläne ist, haben die 50.000 Menschen gezeigt, die im Sommer 2018 gegen die Zerstörung des Hambacher Waldes demonstrierten. Entsprechend groß ist der Widerstand nun auch gegen die neueste Provokation von RWE im Rheinischen Revier. Es hat mit dem Abriss der Landstraße L277 begonnen, die den Tagebau Garzweiler derzeit noch von den bedrohten Dörfern trennt. „Es gibt keinen Grund, die L277 bereits jetzt abzuräumen“, sagt David Dresen, „es geht RWE nur darum, seine Macht zu demonstrieren.“ Für David ist die von Alleebäumen gesäumte Landstraße eine physische Barriere für das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens. Denn die 600 Millionen Tonnen Kohle hinter der L277 und unter den Dörfern müssen im Boden bleiben, weiß er, damit Deutschland die Pariser Klimaziele einhalten kann.

Über sich die Sonne, unter sich die Solaranlage: David auf seinem Dach im Dorf Kuckum. Foto: Andreas Fechner / Greenpeace Energy

„Die Zukunft ist erneuerbar“, davon ist David Dresen überzeugt. Passenderweise prangt auf dem Dach seines Elternhauses nun neuerdings eine Solaranlage mit 9,92 Kilowatt Leistung, deren Bau Greenpeace Energy aus dem Fördertopf seines Braunkohleausstieg-Tarifs Solarstrom plus unterstützt hat. „Unseren Strom haben wir natürlich ewig schon nicht mehr von RWE bezogen. Mit unserem Sonnenstrom setzen wir hier nun aber ein weiteres Zeichen, dass die klimaschädliche Kohle nicht gebraucht wird. Welche Potenziale es auf den Tagebauflächen für den Erneuerbaren-Ausbau in Bürger*innenhand gibt, hat Greenpeace Energy ja mit seinem ReinRevierWende-Konzept gezeigt“, sagt David. „So etwas brauchen wir hier. Damit alle Dörfer bleiben können!“

Michael Friedrich
Michael Friedrich
hat nach der Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule rund 25 Jahre als Redakteur gearbeitet, unter anderem bei WDR, Spiegel TV, GEO und dem Greenpeace Magazin. Seit 2015 ist er als Pressesprecher von Green Planet Energy für die Energiewende aktiv.