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EnergiewendeKohleausstiegKuckum bleibt: Ein Dorf trotzt den Kohlebaggern und setzt auf Solarenergie

Kuckum bleibt: Ein Dorf trotzt den Kohlebaggern und setzt auf Solarenergie

Wenn Marlene Kopp aus dem Fenster des Wintergartens auf ihre alte Scheune schaut, glänzen vor ihr die Solarpanele. Die tun jetzt in kleinem Maßstab etwas, wofür früher ganze Orte abgebaggert wurden: Strom erzeugen. Auch Kuckum, das Dörfchen östlich von Erkelenz, in dem sie wohnt, sollte der Braunkohleförderung weichen.

„Dass ich in meinem Alter noch selbst zur Energieerzeugerin geworden bin, kann ich kaum glauben“, freut sich Kopp. Unter dem Dach des Stalls, auf dem ihre Solaranlage installiert ist, stehen drei Pferde. Neugierig klettert eine Katze über die in der Sonne glänzenden Module. Wie schon ihre Eltern, Groß- und Urgroßeltern ist Marlene Kopp auf dem alten Bauernhof zwischen Hühnern und Kühen aufgewachsen.

Marlene Kopp (86) aus Kuckum, hier mit Hahn Fridolin und Pferd Filou, nahm schon in den 1980er-Jahren an den ersten Demos gegen die klimaschädliche Braunkohle teil.

Dabei sah die Zukunft für die Familie Kopp lange nicht rosig aus. Kuckum sollte dem Braunkohletagebau weichen. Für Marlenes Tochter Marita Dresen war das schon seit Kindertagen ein belastendes Thema. Nach und nach verschwanden die Nachbardörfer, erzählt die 57-Jährige. Ihre Eltern beteiligten sich an Menschenketten und Aktionen gegen den Garzweiler-Tagebau des Kohlekonzerns RWE. Gleichzeitig wurden immer mehr Menschen auch aus ihrer Nachbarschaft umgesiedelt, in einen extra dafür gebauten Stadtteil von Erkelenz: Kuckum (neu).

Die Kopps blieben im alten Kuckum. Ihre Hoffnung ruhte auch auf der Autobahn A61, die zwischen dem Hof der Familie und dem Tagebau verlief. „Wir haben immer gedacht, die 61, die schützt uns“, erinnert sich Marita Dresen. Doch auch die Autobahn wurde in eine andere Trasse verlegt, der Tagebau fraß sich immer weiter vor. Es wurde brenzlig für die Familie.

Je nach Windrichtung hören die Familien Kopp und Dresen das Dröhnen der RWE-Bagger im Tagebau Garzweiler (im Hintergrund) bis zu ihren Häusern (vorn am Bildrand).

Die verbliebenen Dorfbewohner:innen verstärkten ihren Widerstand. „Wir haben uns fünf Jahre krass gewehrt“, erzählt Marita Dresen. Die Kuckumer:innen engagierten sich politisch, stiegen auf grünen Strom um und begannen, mehr Dächer mit Solaranlagen auszurüsten. Parallel wurde auf Bundesebene der Kohlekompromiss mit einem Kohleausstieg bis 2038 verhandelt – mit dem Kuckum aber nicht gerettet gewesen wäre.

Ende 2022 kam dann die erlösende Nachricht: Das Land Nordrhein-Westfalen hatte beschlossen, ab dem Jahr 2030 das Abbaggern im Tagebau Garzweiler zu beenden. Kuckum konnte bleiben – anders als das nahegelegene Lützerath.

„Für uns bin ich froh, dass wir nirgendwo anders hinbrauchen. Wir können in der Heimat bleiben und wieder in Ruhe schlafen“, sagt Marlene Kopp.

Seit Mai kocht, bügelt und wäscht Frau Kopp nun mit ihrem eigenen Sonnenstrom. Auch ihre Tochter Marita Dresen betreibt auf dem ausgebauten Kuhstall nebenan eine Solaranlage für die Eigenversorgung mit Grünstrom. Über den von Solarstrom-plus-Kund:innen gespeisten Fördertopf hat sich Green Planet Energy an den Kosten für beide PV-Anlagen beteiligt.

Mit mehr als 13 Kilowatt Spitzenleistung produzieren Mutter und Tochter nun über das Jahr gerechnet mehr Strom, als sie selbst nutzen können – den Rest speisen sie ins Netz ein. Auch auf anderen Dächern in Kuckum sind schon Solarzellen angebracht. Und es werden noch mehr gebraucht. Denn seit Flüchtlinge aus der Ukraine in die schon verlassenen Häuser eingezogen sind, füllen sich die Straßen wieder mit Leben.

Den Familien Kopp und Dresen ist ein Stein vom Herzen gefallen. Marlene, Marita und ihr Sohn David können bleiben, in einem Zuhause voller Erinnerungen – und mit erneuerbarer Zukunft.

Jeder sinnvoll nutzbare Quadratmeter Dachfläche wurde mit PV-Modulen belegt. Die produzieren übers Jahr mehr Solarstrom als die Famlie verbraucht.

 

Dies ist der vierte Teil unserer Solarstrom plus-Serie. Hier finden Sie die weiteren Artikel:

Teil 1: Zukunft auf dem Dach

Teil 2: Kinderleicht eigenen Solarstrom produzieren

Teil 3: Kita-Solaranlage – Glücksgefühle im Kohlerevier