Für fast 20 Jahre hatte Ralf Werth sein Heimatdorf am Rande des Tagebaus Garzweiler im Rheinischen Revier verlassen. 2016 ist er zurückgekommen, um eine Familie zu gründen – und möchte bleiben.
Erster Teil unserer neuen Blog-Serie „Solarstrom fürs Kohlerevier“
Die riesigen Kraftwerke ragen in den Himmel, der Lärm der herannahenden Bagger ist zu hören. Sehen kann man die riesige Grube des Tagebaus Garzweiler von Kaulhausen aus zwar nicht – und das wird wohl auch so bleiben, zumindest laut Leitentscheidung der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen von 2023. Dennoch bleibt ein kleines Gefühl von Unsicherheit bestehen. „Ursprünglich war geplant, dass der Tagebau bis zu 100 Meter an unser Dorf herankommt“, sagt Ralf Werth. „Wir waren dennoch optimistisch. Wir wollten zu unserer Familie zurück – und hatten gehofft, dass in der Politik wegen der Herausforderungen der Klimakrise doch noch ein Umdenken stattfindet. Aktuell sieht es für uns so aus, dass wir weiterhin einen größeren Abstand zur Grube haben und mehrere Kilometer weit weg sein werden.“
Wirklich klar war das im Jahr 2016 allerdings noch nicht, als Ralf Werth sich zusammen mit seiner Frau dazu entschied, zurück in seine Heimat nahe Erkelenz zu ziehen. Seitdem engagieren die beiden sich aktiv für einen früheren Kohleausstieg, ein lebenswertes Umfeld vor Ort sowie eine Abmilderung der Tagebaufolgen für die Bevölkerung.
„Selbst erzeugte Energie ist am besten auf dem eigenen Dach möglich“
Jetzt wohnt die kleine Familie in Kaulhausen in dem Haus, das Ralfs Eltern 1985 selbst gebaut haben. Eine Gesamtsanierung haben sie zwar nicht durchgezogen, dennoch haben sie einiges investiert: Mehrere Fenster wurden bereits erneuert, die Hohlräume gedämmt, und vor kurzem haben sie die alte Ölheizung gegen eine Wärmepumpe getauscht – die nun auch mit Strom aus der neuen PV-Anlage auf dem Dach gespeist wird.
Green Planet Energy unterstützt den Ausbau von Solarenergie in der Kohleregion und hat sich über den von Solarstrom-plus-Kund:innen gespeisten Fördertopf an den Kosten beteiligt. „Wir waren bereits Stromkunde sowie Genossenschaftsmitglied bei Green Planet Energy – aus Überzeugung, um gemeinsam mit anderen dem Ziel der Energiewende zur Nutzung nachhaltiger Ressourcen ein Stück näher zu kommen“, sagt Ralf. „Wir bemühen uns generell ressourcen-schonend zu leben, machen viel selbst oder kaufen bedachtsam und möglichst regional ein. Da lag es nah, auch das Potenzial brachliegender Dachflächen zu nutzen. Dank des Förderzuschusses konnten wir die PV-Anlage sogar schneller als ursprünglich geplant installieren.“
Solarstrom für das Rheinische Revier
Insbesondere als Einwohner eines ehemals vom Braunkohletagebau bedrohten Dorfes ist es Ralf ein Anliegen, ein Zeichen für die nötige Energiewende zu setzen. „Letzten Endes verdrängt jede regenerativ erzeugte Kilowattstunde Strom den hier noch vorherrschenden Strom aus Braunkohle des benachbarten Tagebaus. Hierzu möchten wir auch den uns möglichen Beitrag leisten und andere ermutigen, dem Beispiel zu folgen.“ Viele Menschen in den Nachbarorten sind fortgezogen, die Verbliebenen möchten die Dörfer zu „Orten der Zukunft“ transformieren. Zwar hat die neue Leitentscheidung nun eine Gebäuderückkaufoption für Eigennutzung eingeräumt; die fruchtbare Landschaft gehört jedoch größtenteils dem Tagebaubetreiber.
„Zeit meines Lebens habe ich den fortschreitenden Braunkohletagebau mit den verschwindenden Dörfern und Landschaften vor Augen. Ein Teil meiner Familie und viele Freunde kommen aus den Nachbarorten. Meine Großeltern stammen beispielsweise aus Keyenberg, andere aus Unterwestrich – den Dörfern, die nun am nächsten am Tagebau liegen. Hiermit verbinden mich viele Kindheitserinnerungen.“ Durch Aufenthalte an anderen Orten in der Welt sind Ralf Werth neben dem Heimatverlust auch immer mehr die globalen Zusammenhänge und deren Auswirkungen auf die Umwelt sowie soziale Aspekte bewusst geworden. „Das hat uns dazu bewogen, dass wir uns konstruktiv und gemeinsam mit anderen in der Aufklärung von Politik und Bevölkerung engagieren. Und letztlich hat unser Engagement auch Wirkung gezeigt.“
Der zweite Teil der Serie „Solarstrom fürs Kohlerevier“ erscheint in einer Woche. Die Beiträge in der Übersicht:
- Zurück in die Zukunft, zurück ins Rheinische Revier
- (K)eine Spinnerei: Solaranlage in der Lausitz
- Kuckum im Rheinischen Revier: Gerettet – und jetzt?
- Wenn Warten sich lohnt: Ein Pfarrhaus mit PV-Anlage im Rheinischen Revier