Die Vorlauftemperatur spielt eine zentrale Rolle bei Wärmepumpen im Bestand. Kann die Wärmepumpe die nötige Systemtemperatur tatsächlich liefern und wenn ja, wie findet sich eine passende Wärmepumpe mit hoher Vorlauftemperatur? Tatsächlich ist nicht die maximale, sondern die mittlere Heizkreistemperatur für die Effizienz der Wärmepumpe entscheidend. Warum das so ist, untersuchen wir in der zweiten Folge unserer Blogserie.
Vorlauftemperatur der Wärmepumpe optimal einstellen
Wenn über die Einsatzmöglichkeiten von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden diskutiert wird, bringen Kritiker:innen häufig eine zu Grunde gelegte sehr hohe Heizkreisvorlauftemperatur als Hauptargument gegen Wärmepumpen als Heizungssystem zur Sprache. Diese führe zu einer schlechten Effizienz der Wärmepumpenheizung und sei folglich ein Ausschlusskriterium für deren Einsatz. Doch ist die Vorlauftemperatur bei der Heizung wirklich ein so kontroverses Thema?
Hierfür spielen zwei Fragestellungen eine Rolle:
- Können Wärmepumpen die für den Wärmestrom in Bestandsgebäuden notwendigen Vorlauftemperaturen wirklich liefern?
- Wie hoch sind die tatsächlich notwendigen Vorlauftemperaturen in der Praxis?
Eine detaillierte Antwort auf die erste Frage ist von vielen Aspekten abhängig – zum Beispiel von der Art des Kältemittels oder des Kompressors. Pauschal lässt sich sagen, dass Standard-Wärmepumpen ohne Probleme eine Vorlauftemperatur von 55° bis 60°C erreichen können. Und das ist ein eher konservativer Richtwert. Prinzipiell gilt: Bei geringer Temperaturdifferenz von Vor- und Rücklauftemperatur arbeitet die Wärmepumpe effizient.
Hochtemperatur-Wärmepumpe mit hoher Vorlauftemperatur
So genannte Hochtemperatur-Wärmepumpen für den Einsatz in Wohngebäuden können Hochtemperaturen von ca. 65° bis 70°C erzielen (in Industrie und Gewerbe ist dieser Begriff dagegen für Wärmepumpen reserviert, die über 100°C erreichen). Auf dem Markt sind auch Geräte verfügbar, die Temperaturen von 75°C erreichen können, zum Beispiel Wärmepumpen mit dem natürlichen Kältemittel Propan. Die erste Frage lässt sich also mit ja beantworten: Die heutigen Wärmepumpen sind allein – also auch ohne zusätzlichen direkt-elektrischen Heizstab – in der Lage, die in der Regel notwendigen Temperaturniveaus zu erreichen. Dabei kann der Stromverbrauch von Hochtemperatur-Wärmepumpen sehr unterschiedlich ausfallen. Bei einer benötigten Heizleistung von 6 kW dürfte der Stromverbrauch mit einer guten Heizeffizienz beispielsweise bei rund 4.000 kWh liegen.
Vorlauftemperaturen und die Heizung in Privathaushalten
Bei einem umfangreichen Feldmonitoring von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden (Ein- und Zweifamilienhäusern) durch das Fraunhofer ISE zeigte sich unter anderem, dass die erreichte mittlere Effizienz der Geräte relativ hoch liegt. Für manche auf den ersten Blick wahrscheinlich sogar überraschend hoch bei der Wärmepumpe mit Vorlauftemperatur. Bei der Auswertung der Messdaten gab es eine weitere Überraschung: die relativ niedrigen mittleren Vorlauftemperaturen. Nach vertiefter Analyse stieß das ISE auch auf die – oft generell als notwendig erachteten – hohen Vorlauftemperaturen. Allerdings nur an Tagen mit der kältesten Außentemperatur und nur bei einigen Wärmepumpensystemen. Diese Tage waren jedoch so selten, dass sie auf die Gesamteffizienz der Anlagen kaum Einfluss hatten. Was Wärmepumpen im Altbau interessant macht: Selbst bei unsanierten Wohngebäuden mit alten Heizkörpern mussten Wärmepumpen in der Regel eine Vorlauftemperatur von lediglich ca. 55°C erzielen, um eine angenehme Raumwärme zu gewährleisten.
Dieses Phänomen erklärt die Grafik oben. Prinzipiell gilt: Je tiefer die Außentemperatur (auf der horizontalen Achse eingetragen), desto höher die Heizkreistemperatur (orange Linie) und desto niedriger die Effizienz der Wärmepumpe (grüne Linie). Entscheidend für die mittlere (Jahres-) Effizienz des Heizungssystems ist, wann (bei welchen Temperaturen) der Großteil der Wärme bereitgestellt wurde (blaue Fläche). Zu 75-90% wird die erforderliche Heizwärme bei moderaten Außentemperaturen bereitgestellt. Dabei sind die erforderlichen Vorlauftemperaturen nicht sehr hoch, was zu einer hohen Effizienz führt.
Fazit: Bedeutung der Vorlauftemperatur bei Wärmepumpen
Zusammenfassend lassen sich zwei Schlüsse ziehen:
- Wärmepumpen sind in der Lage, auch hohe Heizkreistemperaturen zu liefern, wie sie an sehr kalten Tagen notwendig sind.
- Es sind nicht die maximalen, sondern die mittleren Heizkreistemperaturen für die Gesamteffizienz der Anlagen ausschlaggebend. Somit können Wärmepumpen auch in Bestandsgebäuden die benötigte Wärme mit zufriedenstellender Effizienz bereitstellen.
Die beschriebenen Erkenntnisse bestätigt eine Feldstudie aus der Schweiz. Auch bei dieser Studie wurden Wärmepumpen unter anderem in Bestandsgebäuden analysiert. Sehr ähnlich wie bei der Studie des Fraunhofer ISE lagen die maximalen Heizkreistemperaturen bei den untersuchten Wärmepumpen mit Heizkörpern um 55°C. Die zentrale Aussage der Autoren der Ostschweizer Fachhochschule lautet: „Wärmepumpen können bei ordentlicher Planung, Installation und Inbetriebnahme fossile Heizungsanlagen auch im Gebäudebestand effizient ersetzen.“ So lassen sich also Wärmepumpen hybrid mit Gasheizungen kombinieren.
Die nächste Folge unserer Serie Wärmepumpen und Dämmung wird sich mit folgenden Fragen beschäftigen: Muss ein Haus zuerst saniert werden, damit eine Wärmepumpe installiert werden kann? Können Wärmepumpen in Bestandsgebäuden eine angenehme Raumwärme bereitstellen? Was passiert, wenn das Gebäude nach dem Einbau der Wärmepumpe saniert wird?
FAQ – Häufig gestellte Fragen zur Vorlauftemperatur von Wärmpumpen
Ist die Installation einer Wärmepumpe auch in älteren Häusern zu empfehlen?
Eine Wärmepumpe lohnt sich nicht nur im Neubau – auch in alten Bestandsgebäuden kann ihr Einsatz sinnvoll sein. Ob ein wirtschaftlicher Einsatz der Wärmepumpe im Altbau möglich ist, hängt allerdings vom Sanierungsstand des Gebäudes und einigen weiteren Faktoren ab.
Ist die Effizienz von Wärmepumpen zu schlecht, um in Bestandsgebäuden eingesetzt zu werden?
Wärmepumpen können durchaus effizient genug für die Nutzung im Altbau sein. So kommt die Nutzung in Verbindung mit einer Fußbodenheizung mit geringeren Vorlauftemperaturen aus.
Die Inhalte unserer Wärmepumpen-Blogserie hat uns das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) zur Verfügung gestellt, wofür wir sehr herzlich danken!
Experte:
Zum Weiterlesen:
Günther et al., Fraunhofer ISE (2020) Wärmepumpen in Bestandsgebäuden: Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „WPsmart im Bestand“. https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/downloads/pdf/Forschungsprojekte/BMWi-03ET1272A-WPsmart_im_Bestand-Schlussbericht.pdf
Prinzing et al, OST – Ostschweizer Fachhochschule 2020: Bericht «Feldmessungen von Wärmepumpen-Anlagen Heizsaison 2019/20». https://www.ost.ch/fileadmin/dateiliste/3_forschung_dienstleistung/institute/ies/wpz/sonstige_wichtige_dokumente/2020_jahresbericht_feldmessungen.pdf
Alle Folgen unserer Blogserie zum Thema Wärmepumpen im Bestand:
Folge 1: Wann ist eine Wärmepumpe sinnvoll?
Folge 2: Vorlauftemperatur der Wärmepumpe
Folge 3: Wie viel Sanierung ist für Wärmepumpen nötig?
Folge 4: Wärmepumpe im Bestandsgebäude
Folge 5: Was bewirkt der Heizstab einer Wärmepumpe?
Folge 6: Wärmepumpe im Altbau: Zwei Praxistests
Folge 7: Wärmepumpe und Effizienz
Folge 8: Ist das Heizen mit einer Wärmepumpe teuer?
Folge 9: Besser die technologische Entwicklung abwarten?
Folge 10: Wärmepumpe mit Gasheizung kombinieren
Folge 11: Wärmepumpe im Mehrfamilienhaus
Folge 12: Wie schaffen wir mehr Wärmepumpen im Bestand?