Existenzgründung, welch wundersames Wort, das so vermutlich nur die deutsche Sprache zu schaffen vermag. Maximal technokratisch anmutend und doch wohlklingend für all jene, die aus ihren bewährten Strukturen ausbrechen und nach Innovation, Selbstbestimmung und Sinnstiftung streben. Eine sichere Basis für ihr Unternehmertum finden diese in weltweit mittlerweile mehr als 100 sogenannten Impact Hubs. So nun auch in Hamburg.
Vermutlich genauso neu in unserem Sprachschatz wie die Sprachschöpfung Existenzgründung, ist das englische Social Entrepreneuership. Klingt deutlich aufregender als seine deutsche Übersetzung, das sogenannte Sozialunternehmertum. Die Idee dahinter ist nicht neu, erfährt seit einigen Jahren aber einen ungeheuren Schub.
Soziales Unternehmertum versteht sich als innovativ und pragmatisch. Sein Ziel ist nicht der maximale Profit einer Unternehmung, sondern die Lösung sozialer Probleme. Immer mehr – vornehmlich junge – Menschen treten für einen positiven Wandel in der Gesellschaft ein, für die Lösung ökologischer Probleme, für Menschenrechte und für die Armutsbekämpfung.
Der Weg aus dem Brotjob hin zum sinnstiftenden Unternehmertum ist beileibe kein leichter, das wissen die Macher*innen des Impact Hubs Hamburg aus eigener Erfahrung nur zu gut. Daher wissen sie auch um die Bedeutung sogenannter Impact Hubs. In über 100 Städten weltweit gibt es diese nachhaltig orientierten Coworking Spaces bereits.
Seit dem vergangenen Sommer ist das nunmehr siebte deutsche Impact Hubs in Hamburg zuhause – nachhaltig versorgt von Greenpeace Energy. Was genau dort passiert, erzählt uns Boris Kozlowski, Mitgründer des IH Hamburg.
Greenpeace Energy: Boris, mit dem Netzwerk der Impact Hubs verfolgt ihr das Ziel, nachhaltige und sozial gerechte Geschäftsmodelle voranzubringen. Erkläre uns doch bitte, was ein Impact Hub überhaupt ist? Wer verbirgt sich hinter dem Netzwerk und was macht Ihr?
Boris Kozlowski: Impact Hub ist das weltweit größte Netzwerk für soziale Innovation und nachhaltiges Unternehmertum mit mehr als 100 Standorten weltweit und mehr als 16.500 Mitgliedern. Dabei sind die einzelnen Impact Hubs unabhängige und eigenständige Unternehmen, die eine gemeinsame Vision teilen und gemeinsam für eine gerechte und nachhaltige Welt arbeiten, in der Unternehmen und Profite in den Dienst der Gesellschaft und des Planeten gestellt werden. Dazu nutzen wir die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN als Rahmenwerk, an dem wir uns orientieren.
Wir sind der Überzeugung, dass Wandel nicht in Isolation stattfinden kann, sondern kollektives Handeln benötigt. Daher ist es unsere Aufgabe, gleichgesinnte Menschen, die unternehmerischen Einsatz und Begeisterung für Innovation teilen, zu unterstützen. Indem wir sie an einem Ort in Hamburg zusammenbringen, ihnen einen inspirierenden Arbeitsort bereitstellen, sie mit Expert*innen vernetzen und ihnen gezielte Unterstützung anbieten, können wir sie darin unterstützen, den Impact ihrer Initiativen zu verstärken.
Greenpeace Energy: Wie genau sieht diese Unterstützung für junge und nachhaltige Unternehmungen aus? Was bietet Ihr den Startups, was man möglicherweise so nur bei Euch bekommt?
Boris Kozlowski: Wir bieten den Startups und Gründer*innen eine Unterstützung, die ihren typischen Bedürfnissen gerecht wird und einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt. Dabei fokussieren wir uns auf drei Elemente, die sich gegenseitig ergänzen.
Zum einen bieten wir einen physischen Ort, an dem gearbeitet, vernetzt und gelernt werden kann. Entrepreneur*innen können eine kollaborative Arbeitsumgebung erfahren, in der sie eine nachhaltige Zukunft gestalten können. Und oft hilft es auch einfach schon, an einen Ort zum Arbeiten zu kommen, an dem man auf Gleichgesinnte trifft.
Damit kommen wir auch direkt zum zweiten Element: Eine starke Community, die die Vision einer nachhaltigeren Welt und der Begeisterung für Social Entrepreneurship – von uns oft auch Impact Entrepreneurship genannt – teilt. Mit der Gemeinschaftsbildung können wir das gerade genannte kollaborative, konstruktive Arbeitsumfeld physisch wie digital schaffen und dafür sorgen, dass sich unsere Mitglieder auch gegenseitig unterstützen können. Wir stärken unsere Hamburger Impact Community zusätzlich durch verschiedene, wöchentliche Community-Formate.
Die dritte Komponente unseres Angebots ist die gezielte unternehmerische Unterstützung durch Programme, Workshops und Events. Angefangen von Workshops zu Gründungs- und Nachhaltigkeitsthemen bis hin zu internationalen Startup-Programmen, wie Hackathons oder Ideenlaboren, können wir Unternehmer*innen Zugang zu Wissen und Ressourcen bieten.
Ganz kurz gesagt lässt sich unsere Unterstützung in drei Worten zusammenfassen: Inspirieren, Vernetzen und Befähigen.
Greenpeace Energy: An wen konkret richtet Ihr Euer Angebot?
Boris Kozlowski: Wir möchten alle Menschen ansprechen, die sich auf die Reise zu sinnstiftenden Wirtschaften begeben haben oder diese Reise starten möchten. Unser Angebot richtet sich daher an Entrepreneur*innen, Startups und Intrapreneur*innen sowie an Menschen, die noch auf der Suche nach mehr sinnstiftenden Tätigkeiten sind.
Unsere Veranstaltungen sind aber auch für alle, die generell an Nachhaltigkeitsthemen interessiert sind und ihr Bewusstsein und Wissen darüber erweitern möchten.
Greenpeace Energy: Nach welchen Maßstäben beurteilt Ihr, ob eine Unternehmung auch tatsächlich nachhaltig ist? Gab es womöglich schon Geschäftsideen, die nicht kompatibel mit der Idee des Impact Hubs waren?
Boris Kozlowski: Wir freuen uns über alle Unternehmungen, die bereits einen positiven Einfluss auf den Menschen oder den Planeten haben und wir sie noch weiter unterstützen können. Jedoch ist das nicht alleine ausschlaggebend zu Beginn. Für uns ist es in erster Linie wichtig, dass die Unternehmungen die Ambition haben, den Status Quo zu hinterfragen und zu ändern, so dass auch traditionelle Unternehmungen, die bisher keinen Fokus auf Nachhaltigkeit gelegt haben, diesen Weg einschlagen. Insbesondere bei Kooperationen mit größeren Unternehmen haben wir zu Beginn stets interne Gespräche, in denen wir validieren, ob diese ernsthaft an unseren Themen interessiert sind. Der persönliche Austausch mit den Partnern gibt hier aus unserer Erfahrung relativ schnell Einblick in die Motivation.
In Bezug auf die Startups und Entrepreneur*innen, die wir unterstützen, haben wir jedoch eine Anziehungskraft, die bisher nur Menschen mit passenden Intentionen zu uns geführt hat. Durch unseren personalisierten Onboarding-Prozess und den persönlichen Austausch mit allen Mitgliedern können wir außerdem sicherstellen, dass unsere Community sinnorientiert bleibt. Dabei hilft uns auch wieder die Orientierung an den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs), die wir als Orientierungsrahmen haben: Alle Mitglieder ordnen ihre unternehmerischen Tätigkeiten spezifischen SDGs zu – wie zum Beispiel gleichberechtigte, hochwertige Bildung oder verantwortungsvoller Konsum und Produktion.
Greenpeace Energy: In einem Online Magazin wurdet Ihr als „Höhle der Möwen“ beschrieben: Kein Möchtegern-Silicon-Valley, aber auch keine Höhle der Löwen, wie man es aus dem Fernsehen kennt. Stattdessen ein Rückzugsort für Weltverbesser*innen. Wie sieht der Alltag bei Euch aus?
Boris Kozlowski: Einen typischen Alltag gibt es bei uns gar nicht, da jeder Tag anders verläuft. Alle Aktivitäten sind aber tatsächlich dadurch geprägt, dass wir ein Safe Space für ambitionierte Menschen sind, die unternehmerisch etwas bewegen wollen.
Sobald Du morgens durch die Tür trittst, wirst Du von einer Atmosphäre empfangen, die Dich willkommen heißt und direkt Motivation für den Tag gibt. Und falls das mal nicht reicht, hilft unser Kaffee noch dabei. Je nach dem was bei Dir auf der Agenda steht, kannst Du Dich in unsere Focus Area zum konzentrierten Arbeiten setzen oder in unserer Café-Area im Erdgeschoss bleiben und Dich erstmal mit anderen Mitgliedern austauschen oder Telefonate führen. Der Tag hält oft die eine oder andere schöne Überraschung bereit – sei es ein spontanes Gespräch auf der Terrasse oder ein Geistesblitz beim Verabschieden. Lange zu bleiben lohnt sich aber – regelmäßig finden abends noch Veranstaltungen bei uns statt. Von einer Paneldiskussion über das Überwinden von Stereotypen über eine Fragerunde zum Thema Sustainable Finance bis hin zu Keynotes über Produkte der Zukunft – die Abende halten oft noch einiges bereit.
Im Optimalfall gehst Du dann zwar müde, aber mit vielen neuen Gedanken inspiriert und erfüllt nach Hause.
Greenpeace Energy: Du selbst hast nach Deinem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens früh in Konzernstrukturen gearbeitet, die Erfüllung hast Du dort offensichtlich aber nicht gefunden. Was hat Dich zu Deinem Schritt veranlasst, den alten Job über Bord zu werfen und mit dem Impact Hub zu starten?
Boris Kozlowski: Bevor ich mich dazu entschieden habe, den Impact Hub Hamburg mit aufzubauen, habe ich viele verschiedene Großunternehmen im In- und Ausland kennenlernen dürfen. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass ich in dieser Zeit vieles gelernt habe und ich auch viele Erfahrungen gesammelt habe, die mir auch heute noch weiterhelfen. Im Endeffekt ist die Idee, bewusst den Schritt aus dem sicheren Job zu machen, über eine längere Zeit gereift. Das wurde insbesondere durch das Gefühl verstärkt, dass ich mit meinen Fähigkeiten einen größeren Impact erzielen wollte und ich nicht einverstanden war mit der Art und Weise, wie große Teile der Budgets in Unternehmen eingesetzt werden. Persönlich bin ich dankbar dafür, dass ich das Privileg hatte solch eine Entscheidung treffen zu dürfen.
Greenpeace Energy: Wir wünschen Euch weiterhin viel Erfolg mit dem Impact Hub und freuen uns drauf, noch viel von Euch zu hören.
INFO: Für mehr Informationen besuchen Sie gerne die Webseite des Impact Hubs Hamburg oder die englischsprachige Seite der globalen Impact Hub Community. Neben dem Impact Hub in Hamburg finden Sie weitere Impact Hubs in Essen, Berlin, Leipzig, Dresden, Stuttgart und München.