Volle Kraft in Richtung nachhaltige Energiezukunft oder Rolle rückwärts? Deutschland hat am 23. Februar die Wahl – die Bundestagswahl steht an. Zu den entscheidenden Unterschieden zwischen den Parteien gehört auch die Frage, wie es in Sachen Energiewende weitergeht. Wir haben uns deshalb die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD und Grünen genauer angeschaut.
Klimaneutralität bis 2045: Welchen Weg wählen die Parteien?
Die gute Nachricht zuerst: Sowohl Union als auch SPD und Grüne bekennen sich zum weiteren Ausbau erneuerbarer Energien. Beim Weg zur Klimaneutralität bis 2045 gibt es aber große Unterschiede – besonders bei der Ausbaugeschwindigkeit von erneuerbaren Energien, dem Gasausstieg und Vorstellungen für eine gerechte Transformation. Die Union, die nach derzeitigem Wahltrend den Kanzler stellen könnte, plant in wichtigen Punkten sogar eine Kehrtwende: So will sie das „Habecksche Heizungsgesetz“ (Gebäudeenergiegesetz) abschaffen, ohne aber zu erklären, wie der Ausstieg aus Öl und Gas gelingt. Beim Dauerbrenner „Atomenergie“ möchte die Union sogar die Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke prüfen – allen Bekenntnissen der Energiewirtschaft zum Trotz, die unisono bekundet, dass Atomenergie zu teuer und langjährig wäre (vom strahlenden Atommüll und den Risiken eines GAUs ganz zu schweigen).
Eine detaillierte Analyse der Wahlprogramme der Parteien haben wir für euch zusammengefasst.
Unsere Forderungen: Die Energiewende bürgernah, gerecht und wettbewerblich fortsetzen
Statt Verunsicherung und Geisterdebatten rund um die Atomenergie braucht es für die nächste Legislatur einen Fahrplan für eine wettbewerbliche, sozial gerechte und bürgernahe Energiewende. Unsere drei Kernforderungen:
1) Der schnelle Ausbau von Windenergie und Photovoltaik muss im Fokus bleiben
Die Fakten sprechen eine klare Sprache: Der Anteil erneuerbarer Energien ist im dritten Quartal 2024 auf beeindruckende 63,4 Prozent gestiegen. Photovoltaik-Anlagen boomen, Windenergieprojekte ziehen an, Batteriespeicher werden immer günstiger. Deutschland hat das Potenzial, eine vollständig klimaneutrale Energieversorgung zu erreichen – vorausgesetzt, wir halten den eingeschlagenen Kurs konsequent bei und schaffen mit einem modernen Strommarktdesign den passenden Rahmen für mehr Flexibilität.
Atomenergie braucht dazu niemand mehr und innerhalb einer Dekade könnten auch Kohle und Gas aus der Stromerzeugung verdrängt werden. Diesen Schwung jetzt zu bremsen, würde unserem Land, dem Klima und unserer Wirtschaft schaden. Neue fossile Überkapazitäten von CCS über LNG bis hin zur überzogenen Förderung neuer Erdgaskraftwerke würden diesen Kurs verzögern und verteuern.
2) Die Vorteile der Erneuerbaren müssen stärker bei den Bürger:innen ankommen
Die Erneuerbaren sind nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch die beste Wahl. Dynamische Tarife sind ein erster wichtiger Schritt, damit die Verbraucher:innen von den kostensenkenden Effekten der Erneuerbaren profitieren. Deren Erfolg hängt aber maßgeblich von einer gelungenen Digitalisierung der Verteilnetzbetreiber und vom Smart-Meter-Rollout ab. Hier muss eine neue Bundesregierung dringend ansetzen und die Geschwindigkeit deutlich erhöhen.
Wir setzen uns außerdem dafür ein, Bürger:innen stärker an der Energiewende zu beteiligen: Kommunale Windparks, Energiegenossenschaften und Energy Sharing-Modelle können die Akzeptanz für die grüne Transformation deutlich steigern. Und besonders wichtig: Die Energiewende darf nicht zum Projekt einiger weniger Großkonzerne werden, sondern die Bürgerenergie muss eine noch stärkere Rolle spielen.
Ein weiterer Aspekt: Der steigende CO₂-Preis für fossile Energien muss so gestaltet werden, dass er nicht zu einer zusätzlichen Belastung für Menschen mit geringem Einkommen wird. Ein sozial gestaffeltes Klimageld, das die Einnahmen direkt an die Bürgerinnen und Bürger zurückgibt, muss schnell kommen, um einen wichtigen Ausgleich zu schaffen. Die Konzepte dafür liegen auf dem Tisch und technisch wurde soeben die Möglichkeit für eine Rückzahlung geschaffen.
3) Die Wärmewende muss oberste Priorität bekommen
Besonders im Gebäudesektor liegen enorme Potenziale. Aktuell verfehlt dieser Bereich kontinuierlich seine Klimaziele. Ein „Weiter so“ ist weder ökologisch noch ökonomisch vertretbar. Stattdessen braucht es mutige, aber pragmatische Lösungen: verlässliche Förderprogramme, Anreize für energetische Sanierungen und eine klare Perspektive für den Umbau unserer Wärmeversorgung. Schon heute ist die Wärmepumpe im Neubau Standard. Jetzt müssen wir auch im Bestand die Wärmewende beschleunigen. Allein die Debatte über ein mögliches Zurückdrehen des Gebäudeenergiegesetzes hat den Markt und die Verbraucher:innen verunsichert. Konkret müssen etwa die Bundesförderung für effiziente Gebäude und die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze so aufgestellt werden, dass nicht mit jeder zukünftigen Haushaltsdebatte die Förderung in Frage gestellt wird.
Diese Forderungen haben wir gemeinsam mit anderen Akteuren wie den Bürgerwerken, EWS Schönau und Naturstrom in unserem Positionspapier zur Bundestagswahl formuliert.
Unser Appell: Klimaschutz ist die beste Wahl
Die Energiewende erfordert Mut, Kreativität und die Bereitschaft, gewohnte Denkmuster zu verlassen. Wir müssen weg von fossilen Technologien, hin zu einer erneuerbaren, dezentralen und demokratisch gestalteten Energieinfrastruktur. Die kommende Bundestagswahl wird entscheidend sein. Lasst uns gemeinsam für eine Energiepolitik kämpfen, die Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Innovationskraft in Einklang bringt.
Mehr Infos zu unseren Standpunkten findet ihr auch im Artikel „Energiewende auf Kurs halten“ von Oliver Hummel (Naturstrom) und Sönke Tangermann im Tagesspiegel Backround.