RWE-Braunkohlekraftwerk Niederaußem. Foto: ©Elisabeth - stock.adobe.com

Für die Bewertung der insgesamt 15 untersuchten RWE-Kraftwerksblöcke hat Energy Brainpool deren voraussichtliche Kosten und Erlöse aus dem Stromhandel berechnet. Danach betragen der zu erwartende Gewinn – und damit der Marktwert – der Kraftwerke im Jahr 2020 unterm Strich noch rund 1,3 Milliarden Euro. In den folgenden Jahren sinken die Gewinne der Kraftwerksblöcke am Strommarkt allerdings kontinuierlich, da sich im gleichen Zeitraum die Betriebskosten vor allem durch steigende CO2-Preise verteuern – und die Erlöse nach und nach übersteigen. Mehrere Kraftwerksblöcke wären deshalb bereits in einigen Jahren unrentabel: Bereits 2022 würde der RWE-Kraftwerkspark nur noch einen Wert von rund 673 Millionen Euro am Markt haben. Diese Bewertungen müssen nun Grundlage für Entschädigungs-Verhandlungen zwischen Bundesregierung und RWE-Konzern sein, fordert Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy: „Die Politik darf nicht großzügig Steuergelder für vorzeitige Stilllegungen verteilen, sondern muss den Marktwert der betreffenden Kraftwerke prüfen und die Entschädigungssummen daran bemessen.“

Die Bundesregierung will nach dem Ende Januar vorgelegten Beschluss der Kohlekommission mit den Betreibern von Kohlekraftwerken über Entschädigungssummen verhandeln. Erwartet wird, dass entsprechende Details in einem Kohleausstiegsgesetz festgeschrieben werden. Im Gespräch waren dabei bislang Beträge von 600 Millionen Euro pro Gigawatt (GW) abgeschalteter Kraftwerksleistung – was den Zahlungen für Kraftwerke entspricht, die in die so genannte Sicherheitsbereitschaft überführt werden. Der RWE-Konzern hatte laut Medienberichten zuletzt sogar 1,2 Milliarden Euro pro GW gefordert. Bezogen auf die 15 untersuchten Braunkohleblöcke im Rheinischen Revier mit ihrer Gesamtleistung von 9,5 Gigawatt würde sich so eine Gesamtsumme von rund 11,4 Milliarden Euro ergeben, die RWE aus Steuermitteln erhalten würde.

Aus Sicht von Greenpeace Energy ist das viel zu viel: „Für eine breite Akzeptanz des Kohleausstiegs ist es wichtig, dass Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vor ungerechtfertigten Milliarden-Mehrausgaben geschützt werden“, so Tangermann. Dies gelte besonders vor dem Hintergrund aktueller Kostendebatten rund um den Kohleausstieg: „Die Kohlekonzerne über Gebühr mit Steuergeld-Milliarden zu alimentieren setzt ein falsches Zeichen und erzeugt bei vielen Menschen Unmut.“ Zudem ist aus Sicht von Greenpeace Energy fraglich, ob milliardenschwere Entschädigungen zugunsten der Kohlekonzerne in Einklang mit EU-Wettbewerbsrecht stehen.

Grundlage der neuen Berechnungen von Energy Brainpool ist eine Modellierung der europäischen Strommärkte bis zum Jahr 2040 sowie der Kosten von CO2-Zertifikaten, mit denen Kraftwerksbetreiber klimaschädliche Emissionen ausgleichen müssen. Der Preis dieser Zertifikate hat sich in den vergangenen Jahren etwa vervierfacht. Hohe Zertifikatspreise erhöhen die Betriebskosten von Braunkohlekraftwerken überproportional, da diese besonders viel CO2 ausstoßen. „Die Marktwerte für CO2-intensive Technologien sinken kontinuierlich, während jene für erneuerbare Energien steigen“, sagt Fabian Huneke von Energy Brainpool. Für die angenommene Preisentwicklung von CO2-Zertifikaten verwendete Energy Brainpool das Szenario „Sustainable Development“ im „World Energy Outlook“ der Internationalen Energie-Agentur IEA. In diesem wird ein weiterer Anstieg der Preise für CO2-Emissionsberechtigungen kalkuliert. „Die von uns zugrunde gelegten CO2-Kosten basieren auf den vereinbarten Zielen der internationalen Staatengemeinschaft für den Klimaschutz“, so Huneke. „Die Erlöse der betrachteten Kraftwerke würden nur dann höher ausfallen, wenn sich die Politik von diesem Pfad verabschieden würde.“

Die Berechnungen von Energy Brainpool prognostizieren zudem steigende Großhandelspreise für Strom. „RWE als einer der größten Kraftwerksbetreiber in Europa dürfte von vorzeitigen Abschaltungen sogar profitieren“, sagt Sönke Tangermann. Denn wenn alte Braunkohlemeiler früh vom Netz gehen, verknappt sich das Angebot auf dem Strommarkt. Folge: Die Börsenpreise steigen – und damit auch die Erlöse etwa von Steinkohlekraftwerken, die laut dem Beschluss der Kohlekommission noch viele Jahre weiterlaufen könnten. Auch dieser Punkt sollte in den Verhandlungen um Entschädigungszahlungen mit berücksichtigt werden, fordert Greenpeace Energy.