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EnergiewendeMobilität#BEMYBIKEFRIEND EPISODE #5: Stefan Rickmeyer – Radkutsche

#BEMYBIKEFRIEND EPISODE #5: Stefan Rickmeyer – Radkutsche

Ab in den Süden: Die aktuelle Episode unserer Artikelreihe #bemybikefriend führt uns tief in den Süden der Republik, ins beschauliche Nehren im Landkreis Tübingen. Mit der Radkutsche hat sich dort einer der größten Hersteller von Lastenrädern etabliert – getragen von der Idee, die Welt durch viele kleine Schritte besser zu machen. Ein Gespräch mit Gründer Stefan Rickmeyer über ökologische Mobilität, Radschnellwege und Fahrräder, die erst noch gebaut werden müssen.

Mobilität neu denken – das ist der Grundsatz von Steffen Rickmeyer und seinem Team der Radkutsche. Seit 2004 arbeitet das Team von engagierten Radenthusiasten aktiv an der so dringend notwendigen Verkehrswende. Dass hier Menschen arbeiten, für die das E-Bike und Lastenrad nicht nur Beruf, sondern Lebensinhalt bedeutet, merkt man den Rädern an. Und der große Erfolg gibt Ihnen recht.

Stefan Rickmeyer, Gründer und Geschäftsführer von Radkutsche

Hierzulande ist das Modell MUSKETIER keine Seltenheit mehr – unsere Radlogistik Partner gehören damit in deutschen Großstädten schon zum gewohnten Bild – mittlerweile sind die Räder aber auch weltweit gefragt. Zudem wurde das Modell RAPID im Rahmen des International Cargo Bike Festivals in Groningen jüngst als Cargobike of the Year ausgezeichnet. Das macht sich auch an der Nachfrage bemerkbar – neue Räume mussten her, natürlich versorgt mit Ökostrom von Greenpeace Energy.

Greenpeace Energy: Stefan, erst einmal unseren herzlichen Glückwunsch zu Eurer neuen Halle. Mit dieser habt Ihr Eure Kapazitäten mal eben mehr als verdoppelt. Statt wie bisher 800 Räder pro Jahr, könnt Ihr nun bis zu 2.000 Räder auf die Straße bringen. Das klingt nach einer ziemlichen Erfolgsgeschichte. Wie kam es dazu?

Stefan Rickmeyer: Ja, das stimmt, aus allen Ecken spüren wir, dass das Thema ökologische Mobilität an Fahrt aufnimmt. Wir schaffen mit unseren Rädern aber auch oft eine Vernetzung und bringen tolle Ideen auf die Straßen. Ob Foodbikes, Hochzeitsrikschas oder das Reinigungsfahrzeug für eine Kommune, überall kommen Menschen mit Transporträdern in Kontakt und mehr und mehr schärft sich das Bewusstsein für eine Nachhaltigkeit, die eben auch Begeisterung schafft und Spaß macht.

Greenpeace Energy: Angefangen habt Ihr 2004. Mittlerweile seid Ihr einer der größten Hersteller in Deutschland und liefert in die ganze Welt. Eure Räder sind quasi vom Schwarzwald bis Neuseeland unterwegs. Wie habt Ihr es geschafft, so erfolgreich aus der baden-württembergischen Provinz heraus den europäischen Markt zu erobern?

Stefan Rickmeyer: Unser Anspruch ist es qualitative und agile Räder zu bauen. Bei unseren beiden Modellen spürt man, dass wir von hochwertigen Mountainbikes kommen und wir die Räder aus Freude am sportlichen Fahren bauen. Neben dem Fahrspaß und einem langlebigen Produkt ist es aber vor allem die von jedem Mitarbeiter gelebte ökologische Überzeugung, die unsere Kunden überzeugt sich für ein RAPID oder ein Musketier zu entscheiden.

Greenpeace Energy: Ihr bezeichnet Euer Modell Musketier als LKW 2.0. Was macht das Rad in Deinen Augen im Vergleich zum herkömmlichen LKW zum besseren Verkehrsmittel für den Lastentransport?

Stefan Rickmeyer: Die Innenstädte sind verstopft, schadstoffbelastet und die LKWs nur zu einem Drittel gefüllt. Achtet man einmal auf die Lademenge der LKWs, stellt man fest, dass man in der Innenstadt eigentlich keinen LKW vollbeladen sieht. Das liegt vor allem daran, dass jede Logistikfirma mit einem eigenen LKW auch in die Fußgängerzone fährt. Unsere Kunden arbeiten mit sogenannten Mikrodepots von denen dann „die letzte Meile“ beschickt wird. Das bedeutet, dass wir erst einmal das ganze System ändern. Alle Logistikdienstleister schlagen dann an einem Ort um, von dem aus dann die Lastenräder in die umliegenden Quartiere ausströmen. Die Depots können Geschäfte, Lagerhallen aber auch Container auf Parkplätzen sein.

Greenpeace Energy: Ihr habt mittlerweile zahlreiche Aufbauten im Angebot – Euer Musketier gibt es mit der gängigen Alubox, aber beispielsweise auch als Gastrobike, Rikscha oder Kinderbus. Eurer Phantasie scheinen da keine Grenzen gesetzt. Welches Modell fehlt Deiner Meinung nach und muss unbedingt noch gebaut werden?

Stefan Rickmeyer: Das mobile Dinner ist ein Traum von mir. Vier Personen sitzen hinter dem Fahrer an einem Tisch und trinken einen Aperitif. Die Fahrt geht mit einer kurzen Fahrt am Ufer entlang und dann zum ersten Gang vor ein Restaurant. Die Fahrgäste bleiben auf dem Rad sitzen, bekommen den ersten Gang serviert und speisen, während Sie auf dem Rad durch den Park der Stadt fahren. Zu jedem weiteren Gang kommen sie kurz zum Restaurant zurück. Ein vermutlich unvergessliches Erlebnis auf dem Rad.

Foto: Radkutsche

Greenpeace Energy: In Kopenhagen, der inoffiziellen Welthauptstadt des Lastenrads, sind Meldungen zufolge 30.000 Transporträder im Stadtgebiet unterwegs, sowohl für private als auch für gewerbliche Zwecke. Jede fünfte Kopenhagener Familie mit zwei und mehr Kindern besitzt ein Lastenrad. Kannst Du Dir eine ähnliche Entwicklung auch hierzulande vorstellen?

Stefan Rickmeyer: Ich bin davon überzeugt, dass das so kommen wird. Eine gute Infrastruktur macht es so viel leichter. Radschnellwege, gut markierte bzw. durchdachte Fahrradfahrwege entstehen gerade bei uns und wir benötigen nur den Mut das weiter voran zu bringen. Ich bin sicher, das wird gelingen. Außerdem haben wir deutlich weniger Regentage als die Dänen.

Greenpeace Energy: Immerhin die Statistiken machen Mut: Laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) wurden 2018 rund 40.000 E-Lastenräder verkauft. Das entspricht einem Wachstum gegenüber dem Vorjahr von 80 Prozent. Bund, Länder und Kommunen fördern inzwischen Lastenräder mit unterschiedlichen Programmen. Dennoch bleibt das Rad in der öffentlichen Debatte – beispielweise in der Diskussion um Diesel-Fahrverbote – lediglich Randnotiz. Was sind Deine Erwartungen an eine neue Verkehrspolitik? Was muss sich ändern?

Stefan Rickmeyer: Man muss nicht viel Radfahren, um zu merken, dass noch viele Radwege eher für den gemütlichen Sonntagsausflug, als für das Pendeln oder Liefern mit dem Fahrrad gemacht sind; Bürgersteig rauf, Bürgersteig runter, Halten am Kreisverkehr, gefährliches Abbiegen und Unfallgefahr durch LKWs. All das muss schnell entschärft werden und dem Radverkehr Vorfahrt gewährt werden. Kein Autofahrer würde die Umwege, die ein Radfahrer auf seiner Fahrt zur Arbeit gezwungener Maßen oft nehmen muss, akzeptieren.

Greenpeace Energy: Angenommen, Du wärst für einen Tag Bundesverkehrsminister. Welche drei Maßnahmen würdest Du ganz konkret umsetzen?

Stefan Rickmeyer: Ich glaube, da wäre ich zu radikal und noch nicht mehrheitsfähig.

Matthias Hessenauer
Matthias Hessenauer
Der Medienkaufmann und studierte Marketing-Kommunikations-Ökonom ist seit 2008 bei Green Planet Energy tätig. Nach seinem Quereinstieg in den Privatkundenservice und weiteren acht Jahren im Marketing, verantwortet er seit 2019 den Bereich Kooperationen bei Green Planet Energy.