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Mieterstrom: Die Kunst, die Sonne zu teilen

Rund um das Thema Mieterstrom ist derzeit politisch Einiges in Bewegung,  die Bundesregierung hat nun ein neues Förder-Gesetz angekündigt.  Wie ein gelungenes Mieterstrom-Projekt aussehen kann, zeigt Greenpeace Energy in Hamburg. Die Energiegenossenschaft stattete das Hamburger Künstlerhaus Frise eG nicht nur mit einer Photovoltaikanlage aus, sondern auch mit einem modernen Verbrauchs- und Messkonzept.

Das Haus im Hamburger Stadtteil Ottensen sticht jetzt auch aus der Vogelperspektive heraus: Es ist das einzige weit und breit, auf dem sich vier Reihen Solarpaneele fast über das gesamte Dach ziehen. Von der Straßenseite her ist das weißgetünchte und grün umrankte Gebäude vielen Hamburgern ohnehin bestens vertraut, denn es beherbergt die Künstlergemeinschaft Frise – und die ist eine Institution in der Hansestadt.

Carmen Fernandez Ruiz (Projektkoordinatorin) und Reenie Vietheer Projektingenieurin von Planet energy kontrollieren die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach vom FRISE-Haus, Hamburg, Altona, 01.09.2016 Foto / ©: Sabine Vielmo
Carmen Fernandez Ruiz (Projektkoordinatorin) und Reenie Vietheer (Projektingenieurin) von Planet energy kontrollieren die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Frise-Hauses. Alle Fotos: Sabine Vielmo / Greenpeace Energy eG

Ihren Namen hat der ursprünglich Ende der 70er-Jahre gegründete und als Genossenschaft organisierte Künstler-, Studio- und Atelierzusammenschluss vom Hamburger Friseur-Institut, das einst hier residierte. 2003 zogen die kreativen Genossen ein – und nur wenige Jahre später gelang ihnen das Kunststück, der Stadt Hamburg das Besitzrecht an der Immobilie abzutrotzen, gesichert für die nächsten 36 Jahre. Ein echter Coup in einem Viertel, das durch Gentrifizierung besonders geprägt ist.

Es ist also ein Haus mit einer ganz besonderen Geschichte und Mieterschaft, auf dessen Dach die – ebenfalls in Hamburg beheimatete –  Energiegenossenschaft Greenpeace Energy eben jene Photovoltaikanlage installierte. Und nicht nur das: Der Ökoenergieanbieter brachte auch ein „angeschlossenes“ Mieterstrom-Konzept für das Künstlerhaus und seine insgesamt rund 50 Mieter mit, darunter bildende Künstler, Fotografen, Filmemacher sowie ein Tonstudio.

Portrait08_300dpi„Die Leute in der Frise haben das neue Versorgungskonzept sehr gut angenommen“, berichtet Erich Pick, der das Thema Mieterstrom für Greenpeace Energy betreut, in einer ersten Projektbilanz. „Viele von ihnen sind stolz darauf, Teil eines Mieterstromprojektes zu sein“, sagt er, „und viele Künstler werben auch damit – zum Beispiel, wenn sie einen Förderantrag für ein Kunstprojekte schreiben.“

Die Anlage konnte schnell realisiert werden

Zunächst wollte die Frise eG die PV-Anlage in Eigenregie bauen und den dort erzeugten Strom dann direkt den Mietern im Haus zur Verfügung stellen. Wegen der hohen Kosten sowie aufgrund von regulatorischen Hemmnissen entschied sich die Künstlergemeinschaft dann aber gegen einen Alleingang und holte Greenpeace Energy als Dienstleister in das Projekt, das schnell Schwung aufnahm.

Photovoltaik-Anlage auf dem Dach vom Frise-Haus, Hamburg, Altona, 01.09.2016 Foto / ©: Sabine Vielmo
Die Solarmodule ziehen sich fast über die gesamte Dachfläche des Hauses.

Zunächst mussten ganz praktische Fragen geklärt werden: Trägt das Dach des Altbaus die PV-Anlage? Nach einem Statik-Gutachten war klar: Vor der Installation der Module muss saniert werden. Und das wiederum spielte in die Vertragsverhandlungen zwischen Greenpeace Energy und der Frise mit hinein – denn die Pacht, die der Ökoenergieanbieter an die Frise zahlt, muss hoch genug sein, um auch die Sanierungskosten mit abzudecken.

Nach der Einigung konnte die mit einer Leistung von 8,3 Kilowatt relativ kleine PV-Anlage mit einer niedrigen fünfstelligen Investitionssumme schnell realisiert werden. Im September 2016 erfolgte die feierliche Einweihung. Rund 7.000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr produziert die Anlage auf dem Dach – bei einem Jahresgesamtverbrauch des Hauses von rund 30.000 kWh.

Genaue Abrechnung und Transparenz per Smart Meter

Tatsächlich werden derzeit 80 Prozent des auf dem Dach produzierten Sonnenstroms von den Mietern genutzt. Dieser kostet die Frise dann auch deutlich weniger als der zur Versorgungssicherung aus dem Netz gelieferte Ökostrom von Greenpeace Energy. Was die Frise-Mieter wiederum zu bestimmten Zeiten nicht selbst verbrauchen, nimmt das öffentliche Stromnetz auf.

Anzeigeelement, Photovoltaik-Anlage auf dem Dach vom Frise-Haus, Hamburg, Altona, 28.09.2016 Foto / ©: Sabine Vielmo
Per Smart Meter wird der Stromverbrauch in Echtzeit erfasst.

Wann wieviel produziert und verbraucht wird – darüber sind die Mieterinnen und Mieter übrigens stets bestens informiert: Der gesamte Verbrauch wird dank Smart-Meter-Einsatz verbrauchsgenau monatlich abgerechnet. Über ein Software-Tool können sie die ein- und ausgespeisten Strommengen sekundenscharf ablesen: In einer online abrufbaren Kurvengrafik finden sich Eigenverbrauch, Einspeisung und Netzstrom-Bezug übersichtlich dargestellt.

„Echtzeit-Transparenz ist vielen Mietern in hier äußerst wichtig, entsprechend positiv waren die Reaktionen, nachdem wir die Online-Zugänge zum Ablese-Tool verschickt hatten“, berichtet Pick: „Da war dann auch mal ein erstauntes ‚Wow, so viel Strom verbrauchen wir?‘ mit dabei.“

Ein „Lern-Projekt“ ist die Frise auch für Greenpeace Energy. „Wir wollen verstehen, wie sich ein solches Projekt trotz hoher Abgaben und voller EEG-Umlage wirtschaftlich betreiben lässt“, sagt Erich Pick. Und, fügt er hinzu: „Auch wir hoffen darauf, dass die Politik endlich ihre Ankündigungen wahr macht, finanzielle Hürden für Mieterstromprojekte abzubauen – etwa, indem sie diese mit einer reduzierten EEG-Umlage der Eigenversorgung rechtlich gleichstellt.“

INFO Mehr zum Thema Mieterstrom finden Sie hier.

Christoph Rasch
Christoph Rasch
Arbeitete lange als Journalist und Autor für Tageszeitungen, Magazine und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Seit dem Frühjahr 2014 im Bereich Politik und Kommunikation bei Green Planet Energy tätig.