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Klima schützenGesellschaft & InitiativenInterview: "Wir brauchen einen naturbasierten Klimaschutz"

Interview: „Wir brauchen einen naturbasierten Klimaschutz“

Der Landschaftsökologe und Bodenkundler Michael Succow, emeritierter Professor der Universität Greifswald, wird heute 81 Jahre alt. Ihm und seinen Mitstreitern aus der Bürgerbewegung verdankt Deutschland die Großschutzgebiete in den neuen Bundesländern. Dafür erhielt er 1997 den Alternativen Nobelpreis. Mit dem Preisgeld gründete er 1999 seine eigene Stiftung zum Schutz der Natur. Mit diesem Interview gratulieren wir ihm herzlich zum Geburtstag! 

Frage: Herr Professor Succow, kurz vor Ihrem Geburtstag die Frage: Wenn eine gute Fee Ihnen einen Wunsch erfüllen könnte, was würden Sie sich wünschen? 

Michael Succow: Dass unsere Biosphäre mit uns Menschen eine Zukunft hat – das funktioniert natürlich nur, wenn wir Menschen umdenken und konsequent handeln. 

Anfang April erschien der letzte Teil des 6. Sachstandsberichts des Weltklimarats (IPCC). Wie denken Sie als Ökologe über den Zustand der Erde? 

Michael Succow: Es geht nicht mehr allein um die Natur, es geht um die Zukunftsfähigkeit unserer menschlichen Zivilisation. Was der Mensch der Natur in den vergangenen 30 Jahren angetan hat – die Folgen davon haben die ganze Welt erfasst und wirken bis in die Arktis und Antarktis –, sein Dogma der Naturbeherrschung, das alles ist ein schwerer Irrtum! Ein Umsteuern in Richtung „Erhalt von Ökosystemen“ ist zwingend notwendig.  

Wie sollte das aussehen? 

Michael Succow: In unserem so wunderbar ökologisch gebauten Haus „Erde“ dürfen wir das Ruder nicht allein den Technikern und Physikern überlassen. Neben dem technischen Klimaschutz brauchen wir auch dringend einen naturbasierten Klimaschutz. Also einen, der die Ökosysteme der Biosphäre erhält, statt sie weiter zu zerstören. Wir brauchen diese Ökosysteme mit ihren Lebensgemeinschaften und den ökologischen Dienstleistungen. 

Können Sie ein Beispiel für „naturbasierten Klimaschutz“ nennen? 

Michael Succow: Zum Beispiel die Wiedervernässung von Mooren, ehemaligen Erlenbrüchen und anderen Feuchtgebieten. Auch die nasse Moorbewirtschaftung mit Paludi-Kulturen trägt dazu bei, also die Kultivierung von Seggen, Schilfröhrichten oder Rohrkolben. Die lassen sich bei Bedarf mit Spezialtechnik oberirdisch abernten und zu klimaneutralen Produkten verarbeiten, zum Beispiel zu Verpackungs- oder Dämm-Material. Unter Wasser bildet sich Torf, der Kohlendioxid aus der Luft bindet.  

Genau das brauchen wir ja dringender denn je… 

Michael Succow: Eben! Was mich am stärksten bewegt, ist der gestörte Kohlenstoff-Haushalt auf der Erde. Der Verlust von Humus auf den Äckern: Der Verlust dieser wunderbaren Eigenschaft im lufterfüllten, belebten Boden, aus den Wurzeln der Pflanzen einen Humus zu entwickeln, der in der Lage ist, permanent zu wachsen. Denken Sie an die Wälder mit ihrer meterdicken Humus-Schicht. Diese „Humus-Währung“ war bei den Landwirten früher eines der großen Ziele. 

Dass ökologisch angepasste Laubmischwälder und naturnaher Waldbau für den Schutz von Klima und Biodiversität wichtig sind, ist inzwischen ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Wie könnte die Landwirtschaft mehr zum Klimaschutz beitragen, jenseits von streng kontrolliertem Bio-Anbau? 

Michael Succow: Wir müssen die Äcker wieder zu Kohlenstoff akkumulierenden, also Humus bildenden, natürlich fruchtbaren Standorten machen. Und das bedeutet: Weg von der Agrarchemie, die das Bodenleben abtötet! Stattdessen brauchen wir Kompost-Wirtschaft. Um auch im konventionellen Bereich eine klimaschonendere Landwirtschaft aufzubauen, müssen wir Kompost auf die Äcker bringen, also organische, sich zersetzende Masse, die Dauerhumus bildet. Das ist nur in Teilen begriffen, das ist ein politisches Thema, was aber bislang – von den vorigen Landwirtschaftsministern – nicht angegangen wurde. 

Dann hoffen wir mal, dass der neue Landwirtschaftsminister das jetzt bald anpackt! Herr Professor Succow, vielen Dank für das Gespräch. 

 „Der Schutz der Natur ist kein Luxus, sondern eine der bedeutendsten Sozialleistungen für den Fortbestand der menschlichen Gesellschaft.“ – Motto von Michael Succow für seine Stiftung

Der Ökologe und Moorexperte Michael Succow im Moor.
In Mooren und Feuchtgebieten ist der Ökologe Michael Succow ganz in seinem Element. Foto: Prof.-H.-D.-Knapp. Foto oben: Michael Succow Stiftung

Zum Weiterlesen: Eine Rezension seines neuen Buchs über Moore in Deutschland sehen Sie hier. Mehr über die Projekte der Succow Stiftung auf der Webseite.