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EnergiewendeKohleausstiegGreenpeace Energy kritisiert Vattenfall-Vorschlag zum Strukturwandel in der Lausitz

Greenpeace Energy kritisiert Vattenfall-Vorschlag zum Strukturwandel in der Lausitz

(Update) Das schwedische Energieunternehmen Vattenfall und der deutsche Mischkonzern BayWa wollen auf ehemaligen Braunkohle-Tagebauflächen in der Lausitz in großem Stil Erneuerbare-Energien-Anlagen bauen, berichtet das Handelsblatt in seiner heutigen Ausgabe. Dadurch soll die Region auch nach dem Kohleausstieg als Energie-Standort erhalten werden.

Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation. Foto: Enver Hirsch / Greenpeace Energy eG

Die Energiegenossenschaft Greenpeace Energy hatte erst vor wenigen Wochen ein ähnliches Konzept für das Rheinische Braunkohlerevier vorgestellt. Den Vattenfall-Vorschlag kommentiert Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation bei Greenpeace Energy: „Es ist gut, dass Vattenfall nach jahrelangem Braunkohleengagement nun für den Ausbau von erneuerbaren Energien in der Lausitz sorgen will. Dabei folgen Vattenfall und der Projektpartner BayWa einem sehr ähnlichen Konzept, wie es Greenpeace Energy  im vergangenen Jahr für das Rheinische Braunkohlerevier vorgelegt hat. In einem entscheidenden Punkt allerdings ist der Ansatz von Vattenfall grundfalsch und kein Fortschritt für die Lausitz: Wenn nur ein oder zwei Konzerne die Nachnutzung der ehemaligen Tagebaue durch Solar- und Windenergieanlagen organisieren, dann streichen am Ende auch nur sie die Gewinne ein.“

Weiter sagte Keiffenheim: „Greenpeace Energy versteht unter Strukturwandel eine Modernisierung durch Erneuerbaren-Anlagen, die den Bürgerinnen und Bürger sowie ihren Kommunen gehören. Das ist der entscheidende zweite Teil des Konzepts der „ReinRevierWende“, das Greenpeace Energy 2018 präsentiert hat – und diesen Teil wollen Vattenfall und BayWa offenbar nicht übernehmen. Nach der Vorstellung von Vattenfall würden die Menschen in der Lausitz nach dem Ende der Braunkohle weiter von einem Großkonzern abhängig bleiben – noch dazu von einem, der in der Vergangenheit nicht besonders verantwortlich aufgetreten ist, wie der Streit um fehlende Rückstellungen für die Renaturierung der Tagebaue belegt. Das aber hieße, in der Lausitz den Bock zum Gärtner zu machen. Erträge und Wertschöpfung fließen dann ab, statt in der Lausitz zu verbleiben, wo sie dringend benötigt würden.“

Greenpeace Energy hatte bereits 2015 zusammen mit Greenpeace Nordic – damals im Zuge des Bieterprozesses für die Vattenfall-Braunkohle einen dezidierten Plan vorgestellt, wie eine Bürgerbeteiligung am ökologischen Strukturwandel im ostdeutschen Braunkohlerevier aussehen könnte.

Vattenfall-Chef Hall (rechts) im Gespräch auf der Handelsblatt-Konferenz. Foto: Christoph Rasch / Greenpeace Energy eG

Der jetzige Vorschlag von Vattenfall kam überraschend. Auf dem „Handelsblatt Energie-Gipfel 2019“ in Berlin gab es dazu kein Wort von  Magnus Hall, dem Chef von Vattenfall. Angesichts heftiger Debatten rund um Kohleausstiegs-Szenarien, Entschädigungen und Restlaufzeiten hörte die Öffentlichkeit bis jetzt erstaunlich wenig vom schwedischen Staatskonzern, der 2016 sein schmutziges Braunkohle-Geschäft in Deutschland an die tschechische EPH abstieß und sich für die Langzeitfolgen des Tagebaus nicht mehr in der Verantwortung sieht. Ein Thema allerdings, das auf dem Handelsblatt-Podium gänzlich ausgespart wurde. Und auch insgesamt blieb Magnus Hall Antworten auf zahlreiche wichtige Fragen schuldig – und wich meistens wortreich aus. Etwa bei der Frage von Moderator und Handelsblatt-Energieexperte Klaus Stratmann, wie genau man „fossilfrei innerhalb einer Generation“ werden wolle – ein Werbe-Slogan, der vom Konzern seit Monaten offensiv propagiert wird. Man sehe das Motto „eher als Bekenntnis gegenüber der nächsten Generation“ denn als verbindlichen Fahrplan mit überprüfbaren Maßnahmen, so Hall.

Vattenfall-Slogan, Twitter-Reaktion. Foto oben: Magnus Hall (rechts) und Handelsblatt-Moderator Klaus Stratmann. Foto: Christoph Rasch / Greenpeace Energy eG

Auch zur Zukunft des umstrittenen Kohlekraftwerks Moorburg in Hamburg sowie zum Prozess, den Vattenfall vor dem internationalen Schiedsgericht in Washington führt, um milliardenschwere Kompensationen für den deutschen Atomausstieg zu erstreiten, wollte Hall nicht klar Stellung nehmen: „Wir wissen auch nicht genau, was dort passiert“, hieß es nebulös mit Blick auf das Schiedsverfahren, „und werden mit dem Ergebnis leben.“ Immerhin wiederholte der Vattenfall-Chef sein – auch nicht neues – Bekenntnis zu einer gerechteren CO2-Bepreisung im Sinne des Klimaschutzes, schränkte allerdings ein, dass die Politik „nicht allein auf dieses Instrument“ setzen dürfe. Keine neuen Erkenntnisse also vom schwedischen Konzern – die meisten der von Hall getroffenen Aussagen hatten die Besucher des Energiekongresses von Greenpeace Energy im vergangenen Herbst so oder ähnlich schon von Vattenfall-Lobbyist Andreas Vetter gehört.

Info Mehr zum Handelsblatt Energie-Gipfel finden Sie hier: https://veranstaltungen.handelsblatt.com/energie/

Christoph Rasch
Christoph Rasch
Arbeitete lange als Journalist und Autor für Tageszeitungen, Magazine und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Seit dem Frühjahr 2014 im Bereich Politik und Kommunikation bei Green Planet Energy tätig.