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EnergiewendeMobilitätLastenrad-Modellversuch: Wie sich Innenstädte entlasten lassen

Lastenrad-Modellversuch: Wie sich Innenstädte entlasten lassen

Ob Infomaterialien, Equipment für öffentliche Auftritte oder komplette Messestände: Unternehmen haben im Alltag oft viel innerstädtisch zu transportieren. Können lastentaugliche Fahrräder hier eine schnelle, praktische und zuverlässige Alternative sein – und somit helfen, den motorisierten Verkehr reduzieren? Das bundesweite Projekt „Ich entlaste Städte“ soll diese Frage beantworten. Seit Mitte Februar gehört auch Greenpeace Energy zu den rund 120 Institutionen, die im Rahmen des Projektes ein Lastenrad mehrere Monate im Praxisalltag testen.

Logo des auf drei Jahre angelegten Projektes.

Das erste Zwischenfazit fällt ganz klar positiv aus: „Die Stadt von morgen kann ich mir ohne Innovationen wie Lastenräder kaum mehr lebenswert vorstellen“, so das Resümee von Matti Pauls. Der Greenpeace-Energy-Regionalpartner fährt mit dem Rad nun vier- bis fünfmal pro Woche zu seinen Vertriebs-Einsätzen auf Wochenmärkten und Verbraucherfesten, Demos und Messeauftritten. 60 Kilometer Wegestrecke sind so innerhalb weniger Tage zusammengekommen. Das Berliner Büro der Energiegenossenschaft bekam hierfür von den Projektorganisatoren ein so genanntes Christiania-Modell mit drei Rädern und robuster Transportbox vorne leihweise zur Verfügung gestellt.

Regionalpartner Matti Pauls und GPE-Mitarbeiter Jörg Buntenbach auf Tour vor dem Berliner Reichstagsgebäude.

„Das Rad ist leichtgängig und die motorisierte Unterstützung besonders bei schwerer Ladung ein Geschenk“, sagt Pauls, „dank Anfahrhilfe und Trittkraft-Unterstützung ist das städtische Stop-and-Go bequem zu meistern.“ Allerdings, so seine Erfahrung, sollte der Akku nach jeder Fahrt geladen werden, um zuverlässig auch für die nächste längere Tour durchzuhalten. „Dadurch, dass die Leistung des Akkus begrenzt ist, lernt der Fahrer, diesen auch nur ganz gezielt zu beanspruchen, zum Beispiel zum Anfahren an einer Steigung.“

Auch an die wegen tief liegenden Schwerpunktes ungewohnte Lenkung und den großen Wendekreis habe er sich erst gewöhnen müssen, sagt Pauls – und an die logistischen Grenzen, die allein durch die Größe des Rades auftreten: Wie etwa den Umstand, dass man das Gefährt nur schwer mit dem Zug transportieren kann oder immer wieder an zu kleinen U-Bahn-Aufzügen scheitert. „Hier ist es also stressfreier, ganz auf öffentliche Verkehrsmittel zu verzichten“, so Matti Pauls. Die Geschwindigkeit des e-motorisierten Bikes wird von anderen Verkehrsteilnehmern oft unterschätzt, deshalb sei erhöhte Aufmerksamkeit gefragt. „Witzig ist andererseits, wenn sich Rennradfahrer an der roten Ampel absichtlich vor mich quetschen, um einen Vorsprung vor dem vermeintlich trägen Gefährt zu haben – und ich sie dann dank Zusatzantrieb wenige Sekunden später überhole.“

Lastenrad als Begleitfahrzeug: Einsatz während der Fukushima-Demo im Berliner Regierungsviertel. Fotos (3): Christoph Rasch / Greenpeace Energy eG

Bilanz nach knapp einem Monat: Innerhalb des Berliner Stadtgebiets ist Pauls mit dem Lastenrad mindestens genauso schnell unterwegs wie bisher mit U- und S-Bahn, sagt er. „Wenn der Radweg frei ist, kann ich an Staus und dichtem Berufsverkehr stressfrei vorbeiziehen.“ Und wenn die Straße frei, aber der Radweg zu klein oder zugeparkt ist? Dann dürfen die Großräder mit E-Motor auch die Fahrbahn mitbenutzen. Und: Am Einsatzort dient das Rad oft auch als mobiler Infostand und zieht allein durch sein ungewöhnliches Erscheinungsbild das Interesse auf sich – sei es auf dem Neujahrsempfang des Bundesverbandes Erneuerbare Energien, wo das Rad neben Elektroautos im Ausstellungsbereich stand, oder bei der Demo zum Jahrestag der Atomkatastrophe von Fukushima.

Wichtiger Teil des Modellprojektes ist die Evaluierung der Fahrten. Übermittelt werden diese Daten mithilfe einer leicht zu bedienenden App auf dem Mobiltelefon des Nutzers. Diese fragt Fahrtzweck und Lademenge ab – und auch, ob der Nutzer den Transport per Lastenrad als empfehlenswert empfand. Für Testfahrer Matti Pauls keine Frage: „Das Lastenrad entlastet nicht nur Städte, sondern auch meine Nerven – und es spart Zeit und Geld.“

Foto: DLR

Info Das vom Bundesumweltministerium geförderte Projekt „Ich entlaste Städte“ startete im Januar 2017 und ist auf eine Laufzeit von drei Jahren angelegt. Die Organisation vor Ort übernehmen das Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Fahrradkurierdienst messenger. Ingesamt 96 Lastenräder wurden den am Test teilnehmenden Unternehmen und Einrichtungen vom DLR zur Verfügung gestellt. Auf den mehr als 2.200 aufgezeichneten Fahrten legten die 126 Testfahrer seither fast 12.000 Kilometer zurück. Mehr Informationen zum Projekt und die Möglichkeit, selbst beim Lastenradtest teilzunehmen, finden Sie unter www.lastenradtest.de

Christoph Rasch
Christoph Rasch
Arbeitete lange als Journalist und Autor für Tageszeitungen, Magazine und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Seit dem Frühjahr 2014 im Bereich Politik und Kommunikation bei Green Planet Energy tätig.