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Klima schützenKundenporträts„Corona-Krise könnte zur Zäsur für die Verpackungsflut werden“

„Corona-Krise könnte zur Zäsur für die Verpackungsflut werden“

Lebensmittel zu kaufen, ohne Verpackungsmüll zu hinterlassen – das wollen immer mehr Verbraucher*innen in Deutschland. Die „Unverpackt“-Läden, in denen sich Kund*innen die losen Waren aus Lebensmittelspendern abfüllen und in selbst mitgebrachten Behältern nach Hause tragen, boomen seit Jahren.

Michael Albert (59) ist Gründungsmitglied und stellvertretender Vorsitzender von Unverpackt e.V., dem Dachverband von mittlerweile 160 Läden in ganz Deutschland. Der Verband wurde 2018 in Nürnberg gegründet, um die Zero-Waste-Philosophie seiner Mitglieder zu unterstützen.

Alleine 160 Geschäfte sind im Dachverband Unverpackt e.V. organisiert – und seit Kurzem werden 100 von ihnen von Greenpeace Energy mit sauberem Ökostrom versorgt. Wir sprachen mit Michael Albert von Unverpackt e.V. über das nachhaltige Konzept der Läden, Zukunftsaussichten und aktuelle Herausforderungen in Zeiten von Corona.

Greenpeace Energy: Herr Albert, Sie selbst betreiben auch mehrere Unverpackt-Läden in Hannover. Wie läuft denn das Geschäft derzeit, unter Pandemie-Bedingungen?

Michael Albert: Insgesamt natürlich schwieriger, wir erleben wie alle anderen Einzelhändler auch Umsatzrückgänge im zweistelligen Bereich – aber das Bild ist sehr unterschiedlich: Die Läden in reinen Wohngebieten, wo man uns kennt, erleben nur leichte Einbußen. Schwieriger ist es bei Läden in klassischen Fußgängerzonen oder Einkaufsstraßen. Da bleibt ein Teil der Laufkundschaft wegen Corona aus. Das deckt sich auch mit den Erfahrungen unserer Mitglieds-Läden im Verband.

Greenpeace Energy: Die Waren, die Sie und Ihre Unverpackt-Kolleg*innen anbieten, müssen ja gerade jetzt sehr hohen Hygiene-Standards entsprechen. Ist das schwierig umzusetzen?

Michael Albert: Nein, denn wir haben unsere Hausaufgaben da schon längst gemacht. Die Unverpackt-Läden waren bei der Einhaltung besonders hoher Hygiene-Standards von Anfang an Vorreiter, hatten deutlich vor allen anderen Läden und Supermärkten Scheiben für den Tröpfchenschutz oder Spender mit Desinfektionsmitteln aufgestellt. Das liegt auch darin begründet, dass wir immer sehr auf Sauberkeit geachtet haben – weil gerade die Unverpackt-Läden sich anfangs dem Vorurteil entgegenstellen mussten, dass lose verkaufte Lebensmittel unhygienischer seien. Da wurden wir jedoch von den Behörden von jeher genauso streng beäugt wie alle anderen.

Greenpeace Energy: Aber droht jetzt nicht sogar eine Renaissance der Plastikverpackung – weil viele Verbraucher*innen auf Nummer Sicher gehen wollen?

Michael Albert: Kurzfristig fällt durch die Corona-Krise mehr Verpackungsmüll an, weil die Menschen vorsichtiger werden und lieber online bestellen und liefern lassen, statt in die Läden zu gehen. Deshalb ist das Abfall-Aufkommen je nach Kommune seit April um 10 bis 15 Prozent angestiegen – eine absurde Entwicklung! Hier ist der Gesetzgeber gefordert, gegenzusteuern – vor allem, indem man die Hersteller dazu verpflichtet, sich an den Entsorgungskosten zu beteiligen, statt sie alleine auf den Verbraucher abzuwälzen. Viele Menschen empfinden die Situation jetzt als Weckruf, als einen Cut – und immer mehr sind davon überzeugt, dass wir so wie bisher nicht weiter wirtschaften und konsumieren können. Das gilt offenkundig für die Fleischproduktion – aber auch beim Thema Verpackung ist eine klare Tendenz bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu erkennen, langfristig das Verhalten zu ändern…

Greenpeace Energy: …und verstärkt im Unverpackt-Laden zu kaufen?

Michael Albert: Wir wollen weiter kräftig wachsen, und die Vorzeichen dafür sind günstig. Aktuell gibt es ungefähr 200 Unverpackt-Läden in Gründung. Klar, einige davon warten jetzt erst mal ab, wie sich die Corona-Krise weiterentwickelt, aber diese hohe Gründungsbereitschaft, die stimmt uns schon sehr optimistisch. Wir erleben seit vier, fünf Jahren ein exponentielles Wachstum. Und wir glauben, dass das durch die aktuelle Krise und die damit einhergehende gesellschaftliche Zäsur nicht unterbrochen, sondern eher verstärkt wird.

VERLOSUNG: Wir verlosen drei Starter-Sets zum Unverpackt einkaufen bestehend aus je einem Edelstahlbehälter mit Dichtung, einem Gemüse-Wasch-Netz, einem Drahtbügelglas, einem 3er-Beutel-Set und einer exklusiven Soulbottle in der Greenpeace Energy Edition. Zum Mitmachen schreiben Sie uns bitte bis zum 06. September 2020 eine E-Mail mit dem Betreff „Unverpackt“ und Ihrer Postadresse an verlosung@greenpeace-energy.de. Viel Glück!

Vielen Dank an Tante Olga aus Köln für das Bereitstellen der Artikel! Alle Produkte (mit Ausnahme der Soulbottle) können Sie online im Zero Waste Laden bestellen!

Greenpeace Energy: Die Unverpackt-Läden verfolgen ein nachhaltiges Gesamtkonzept – und dazu gehört auch die saubere Energieversorgung. Einhundert Unverpackt-Läden werden inzwischen von Greenpeace Energy mit Ökostrom versorgt…

Michael Albert: Unsere Ziele sind ähnlich, das passt einfach sehr gut zusammen. Ich finde es phantastisch, dass inzwischen fast zwei Drittel unserer Mitglieder von Greenpeace Energy versorgt werden und Ihr auch sehr präsent seid – mit Gutschein-Programmen, in den Läden. Aber das Entscheidende ist, dass sich Euer Engagement für die Energiewende sowohl mit der Überzeugung vieler Laden-Betreiber*innen deckt, als auch mit der vieler Kund*innen.

Greenpeace Energy: Das zunehmende Interesse der Verbraucher an unverpackten Waren müsste doch langsam auch mal im konventionellen Handel ankommen. Wie sehr finden Sie denn Nachahmer*innen in der Branche?

Michael Albert: Wir sehen zumindest kleine Ansätze bei großen Supermarktketten und auch in der Bio-Branche – das sind dann meist „Unverpackt-Nischen“ oder einzelne Verkaufswände, an denen verpackungslose Waren angeboten werden. Es ist noch unklar, ob so etwas bei den Verbraucher*innen ankommt. Mein Gefühl ist, dass die Konsument*innen hierzulande eher „ganz oder gar nicht“ wollen, also konsequent auf Verpackungen verzichten wollen, anstatt Kompromisse einzugehen. Möglicherweise trauen sie den Großen der Branche eine gemeinwohlorientierte Wirtschaftsweise nicht zu. Mischformen, die etwa in Frankreich mit Shop-in-Shop-Konzepten funktionieren, laufen hier – noch – nicht.

Greenpeace Energy: Von einem Umdenken im großen Stil ist bei den konventionellen Supermarktketten also noch nicht so viel zu erkennen? Auch im Bioladen wird weiter ordentlich Plastikfolie über Gemüse und Fleischprodukte gezogen…

Michael Albert: Ja, das hat viel mit Bequemlichkeit und Gewohnheiten zu tun. Der Abschied von der Verpackung ist eben auch mit einem gewissen Aufwand verbunden. Das wirkt sich ja nicht zuletzt auf die Margen der Märkte aus. Deshalb sind unsere Mitglieder oftmals Idealisten, die nicht ausschließlich auf Gewinn fixiert sind, sondern zum Wohle von Umwelt und Gesundheit auf Kunststoffverpackungen verzichten.

Greenpeace Energy: Wie und wo setzen Sie als Verband konkret an, um die bestehenden Verhältnisse zu ändern und die Verpackungsflut einzudämmen?

Michael Albert: Was viele nicht wissen: Wir engagieren uns stark in der Forschung und sind auch mit vielen Herstellern – etwa von Reinigungsmitteln oder Kosmetik – in engem Kontakt, um Verpackungsalternativen zu entwickeln und Möglichkeiten für eine Wiederverwendung von Behältnissen auszuprobieren und Standards zu etablieren. Wir unterstützen ganz klar jene Firmen, die sich für nachhaltigere Lösungen engagieren, wobei wir sehr genau darauf achten, hier nicht für Greenwashing instrumentalisiert zu werden. Je stärker die Unverpackt-Bewegung wird, desto mehr Gewicht haben wir auch am Markt – und können auf der Herstellerseite wirklich etwas bewegen.

Greenpeace Energy: Herr Albert, wir danken Ihnen für das Gespräch.

INFO: Mehr zur Arbeit, den Zielen und den Mitgliedsläden von Unverpackt e.V. unter www.unverpackt-verband.de.

Christoph Rasch
Christoph Rasch
Arbeitete lange als Journalist und Autor für Tageszeitungen, Magazine und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Seit dem Frühjahr 2014 im Bereich Politik und Kommunikation bei Green Planet Energy tätig.